Ebenso wie Kultur in die Entwicklung und den Einsatz von Technologien hineinwirkt, so haben auch Technologien Einfluss auf Unternehmenskulturen. Jeder Organisationskultur liegen Werte zugrunde, die auf neue Technologien reagieren. Positiv, wie auch negativ. Welchen Beitrag leistet die Unternehmenskultur bei der Begegnung mit den Werten der neuen Technologien? Besteht ein Zusammenhang zwischen Unternehmenskultur und digitaler Führung? Inwieweit unterscheidet sich die Start-up-Kultur von der traditionellen Kultur im Umgang mit neuen Technologien?
Unternehmenskulturen sind keine Rezepte, die einfach verordnet werden
Zunächst soll aufgezeigt werden, was Unternehmenskultur ist und was sie bewirken kann. Jedes Unternehmen verfügt über eine Unternehmenskultur. Diese wird nicht einfach erfunden oder verordnet, sondern (vor)gelebt. Sie entsteht mit der Unternehmensgründung und ist je nach Entwicklungsgeschichte des Unternehmens mehr oder weniger ausdifferenziert. Häufig liegen die Ursprünge einer Unternehmenskultur beim Unternehmensgründer (z. B. Thomas Watson bei IBM, Steve Jobs bei Apple, Marc Zuckerberg bei Facebook oder auch August Oetker, Max Grundig, Adi Dassler und viele Unzählige mehr), die mit ihren Visionen und Ideen, mit ihren Wertvorstellungen, Eigenarten und Neigungen als Vorbilder für nachfolgende Managergenerationen dienen. Kulturprägend wirken aber auch Krisen und einschneidende Veränderungen – wie z.B. neue Technologien – sowie die Art und Weise, wie diese gemeistert werden, neue Geschäftsmodelle, die Branche und das (regionale) Umfeld eines Unternehmens, die Art der Kunden, der Investoren etc.
Innere und äußere Ausstrahlung der Unternehmenskultur
Die Unternehmenskultur (engl. Corporate Culture) besteht aus einem unsichtbaren Kern aus grundlegenden, kollektiven Überzeugungen, die das Denken, Handeln und Empfinden von Führungskräften und Mitarbeitern maßgeblich beeinflussen und die insgesamt typisch für das Unternehmen sind (innere Haltung). Diese grundlegenden Überzeugungen beeinflussen die Art, wie die Werte nach außen gezeigt werden (äußere Haltung). Gleichzeitig sind sie maßgebend für die Verhaltensregeln („so wie man es bei uns macht“), die an neue Mitarbeiter und Führungskräfte weitergegeben werden und die als Standards für gutes und richtiges Verhalten gelten. Diese Regeln zeigen sich für alle sichtbar an Artefakten wie Ritualen, Statussymbolen, Sprache, Kleidung etc.
Unternehmenskulturen erfüllen wichtige zentrale Funktionen
Die Unternehmenskultur ist in vielfacher Hinsicht von besonderer Bedeutung. Sie ist sowohl für das Unternehmen selbst als auch für die Mitarbeiter sinnstiftend. Als unsichtbare Einflussgröße erfüllt die Unternehmenskultur wichtige zentrale Funktionen, die für das Bestehen und Funktionieren eines Unternehmens notwendig sind. Zu diesen zentralen Funktionen zählt die Reduktion von Komplexität, d. h. die von der Unternehmenskultur vorgegebenen kollektiven Denkmuster dienen als Filter für die Wahrnehmung und bewirken eine schnelle Vorsortierung vorhandener Informationsfülle in „relevant“ und „nicht relevant“. Eine weitere Funktion ist das koordinierte Handeln, das die Unternehmenskultur Mitarbeitern und Führungskräften ein gemeinsames Sinnsystem bereitstellt und damit sinnvolle gemeinsame Kommunikationsprozesse und abgestimmtes Handeln erst möglich macht. Dann ist es die Identifikation, d. h. die grundlegenden Überzeugungen und Annahmen, die der Unternehmenskultur innewohnen, die Einfluss auf das Ausmaß an Identifikation von Mitarbeitern mit ihrem Unternehmen hat. Darüber hinaus übt jede Unternehmenskultur eine mehr oder weniger starke Integrationskraft aus, die besonders dann zu Tragen kommt, wenn Bedrohungen aufkommen oder wenn unterschiedliche Kulturen oder Subkulturen zusammengeführt werden (sollen). Schließlich erlaubt die in der Unternehmenskultur enthaltene kollektive Lerngeschichte routiniertes Handeln und schreibt die in der Vergangenheit erfolgreichen Erfolgsrezepte in der Gegenwart und Zukunft weiter fort.
Start-ups: Technologie häufig im Zentrum des Geschäftsmodells
Oftmals waren es auch gerade die oben genannten Unternehmensführer, die für eine neue Technologie oder neue Geschäftsprozesse standen und diese mit ins Unternehmen brachten oder gar die neuen Entwicklungen zum Zentrum ihres Geschäftsmodells machten.
Heute finden wir solche Techniker und Tüftler, die neue Technologien zu ihrem Geschäft machen, bei den Start-ups – also bei Inhaber-geführten Unternehmen. Hier haben die neuen Technologien „leichtes Spiel“. Sie werden quasi mit der Mutterbrust aufgesogen und sind von Anfang an fester Bestandteil der Arbeitskultur. Der Lern- und Lebensmodus dieser jungen Firmen ist an die sogenannte VUCA-Welt (V = Volatility, U = Uncertainty, C = Complexity, A = Ambiguity) bereits angepasst.
Traditionelle Unternehmen: Generationen prallen aufeinander
Ganz anders sieht es dagegen bei den gewachsenen, älteren und zumeist auch größeren Unternehmen aus. Sie werden häufig von eingesetzten und gut bezahlten Managern der Generation X (Geburtsjahrgänge 1965 bis 1980) geführt, die eben nicht der digital geprägten Generation Y (Geburtsjahrgänge 1980 bis 1995) angehören. Und es kommt noch schlimmer für unsere Manager der Generation X: Denn schon drängt die nächste Generation, die Generation Z (Geburtsjahrgänge ab 1995), in die Unternehmen. Oft werden beide Generationen, Y und Z, zusammen gerne als „Digital Natives“ angesprochen und beiden der gleiche information-age-Mindset zugeschrieben. Im Gegensatz zu der schon digital geprägten Generation Y wächst die nachfolgende Generation Z sogar schon seit ihrer Geburt als „Digital Natives“ auf. Allerdings „zeichnet“ sich die Generation Z durch eine reduzierte Verantwortungsübernahme – jedoch bei hohem Aktivitätsniveau – aus. Für traditionelle Führungskräfte und Unternehmen sind die „Digital Natives“ somit eine besondere Herausforderung. Die Bindung bei ihnen besteht nicht mehr zum Unternehmen, sondern zu interessanten Projekten und zu mitreißenden Führungspersönlichkeiten. Klassische Anreizsysteme, wie etwa Firmenwagen und Statussymbole verlieren dagegen an Wert.
Zur besseren Illustration sind in der Abbildung die unterschiedlichen positiven und negativen wertebezogenen Ausprägungen verschiedener Generationen hinsichtlich ihres Verhaltens am Arbeitsplatz aufgeführt.
Neue Technologien sind ein Kultur- und ein Leadership-Thema
Es geht heutzutage nicht mehr darum, digital zu werden – wir sind es bereits. In der traditionellen Arbeitskultur kommen aber nicht nur die Generationen Y und Z, sondern eben auch die Baby Boomer und die Generation X zusammen. Die Frage ist also, wie es gelingen kann, eine generationenübergreifende, besser generationenverbindende Kommunikations- bzw. Unternehmenskultur zu leben. Denn im Bereich der Arbeitskultur kommt es regelmäßig zu den größten Ablehnungs- oder Adaptionserscheinungen gegenüber einer neuen Technologie. Die unterschiedlichen mentalen Modelle und Wertvorstellungen der jeweiligen Generationen zu ignorieren und mit Kündigungen zu reagieren, kann angesichts der demografischen Entwicklung nicht funktionieren und ist keine Lösung. Nur eine generationengerechte Unternehmensführung wird zum wettbewerbsbestimmenden Erfolgsfaktor für die Zukunft.
Fazit: Bei den Start-ups sind neue Technologien zumeist essenzielle Bestandteil der Arbeitskultur. Bei den traditionellen Firmen begegnet man den neuen Technologien am besten mit einer kompetenzbasierten, generations- und kultursensiblen Führung fernab der bloßen Statussymbolik. Gefragt ist hier also eine Führung, die alle Generationen begeistert und verbindet, damit alle an der gemeinsamen Arbeitsumgebung arbeiten und fortlaufend hybride (analoge wie digitale) Kompetenzen entwickeln können. Dazu müssen im Bereich der Führungskräfteentwicklung neue Talententfaltungsformate (als Ersatz für den Irrweg „Talentmanagement“) entwickelt werden. Gleichzeitig müssen der Generation Z Verantwortung in kleinen Schritten und behutsam anerzogen werden. Überdies sind die Kompetenzen der einzelnen Generationen im Alltag so zu erfassen und zu kombinieren, dass sie auch im Ganzen zur Entfaltung kommen können.
Quellen:
Ciesielski/Schutz: Digitale Führung. Wie die neuen Technologien unsere Zusammenarbeit wertvoller machen, Wiesbaden 2016.
Lippold: Die Personalmarketing-Gleichung. Einführung in das wert- und prozessorientierte Personalmanagement, 2. Aufl., München 2014.
Es gibt aber nicht nur die integrierende Gesamtkultur der Organisation, die differenzierten Subkulturen der Gruppe oder Teams, sondern auch die fragmentierenden Kulturen der Individuen.
Die Tafel mit den verschiedenen Generation ist interessant.
Danke
CT
Thanks, great article.