Nahezu jeder Marketing-Manager ist in seinem Berufsleben mindestens einmal dazu aufgefordert worden, für sein Unternehmen ein Marketing-Konzept oder – etwas anspruchsvoller – eine Marketing-Strategie zu entwickeln. Solch ein „Entwurf“ lässt sich deutlich leichter angehen, wenn man über einen vernünftigen Handlungsrahmen – also eine Gliederung – verfügt, der den geforderten Marketing-Prozess schrittweise aufführt, in seine wichtigsten Prozessphasen zerlegt und zugleich die Voraussetzung für eine Optimierung der angestrebten Marketing-Ziele schafft.
Wertschöpfung und Wettbewerbsvorteil als Grundideen der Marketing-Gleichung
Und genau aufgrund dieser Anforderung ist die Marketing-Gleichung entstanden. Ihre Idee beruht auf zwei Grundüberlegungen: Zum einen ist es die Darstellung und Analyse der Marketing-Wertschöpfungskette, zum anderen ist es die Erkenntnis, dass der Wettbewerbsvorteil maßgebend für die Unternehmensexistenz ist. Schon der bedeutendste Marketing-Theoretiker des 20. Jahrhundert, der Amerikaner Wroe Alderson, hat konstatiert, „dass kein Unternehmen in einen Markt eintritt, wenn es nicht die Erwartung hat, einen gewissen Vorteil für seine Kunden bieten zu können“.
Die beiden Pole der Marketing-Gleichung
Zentrales Ziel des Marketing muss es somit sein, die Vorteile des eigenen Unternehmens auf die Bedürfnisse vorhandener und potenzieller Kunden auszurichten. Die Bestimmungsfaktoren dieser Vorteile sind das Produkt- und Leistungsportfolio, die besonderen Fähigkeiten, das Know-how und die Innovationskraft, kurzum, die fachlichen oder technischen Wettbewerbsvorteile und damit das Akquisitionspotenzial des Unternehmens. Dieser Wettbewerbsvorteil (an sich) ist aber letztlich ohne Bedeutung. Entscheidend ist vielmehr, dass der Wettbewerbsvorteil auch von den Kunden wahrgenommen wird. Erst die Akzeptanz im Markt sichert den nachhaltigen Gewinn. Genau diese Lücke zwischen dem Wettbewerbsvorteil an sich und dem vom Markt honorierten Wettbewerbsvorteil gilt es zu schließen. Damit sind gleichzeitig auch die beiden Pole aufgezeigt, zwischen denen die Marketing-Wertschöpfungskette einzuordnen ist. Eine Optimierung des Marketingprozesses führt somit zwangsläufig zur Schließung dieser Lücke.
Elemente und Aufbau der Marketing-Gleichung
Voraussetzung für die angestrebte Optimierung ist, dass der Marketingprozess in seine Prozessphasen Segmentierung, Positionierung, Kommunikation, Vertrieb bzw. Distribution, Akquisition und Betreuung zerlegt wird und diese jeweils einem zu optimierendem Kundenkriterium zugeordnet werden:
- Segmentierung zur Optimierung des Kundennutzens
- Positionierung zur Optimierung des Kundenvorteils
- Kommunikation zur Optimierung der Kundenwahrnehmung
- Vertrieb bzw. Distribution zur Optimierung der Kundennähe
- Akquisition zur Optimierung der Kundenakzeptanz
- Betreuung zur Optimierung der Kundenzufriedenheit
Entsprechend lässt sich folgende Gleichung im Sinne einer Identitätsbeziehung ableiten:
Honorierter Wettbewerbsvorteil = Wettbewerbsvorteil (an sich) + Kundennutzen + Kundenvorteil + Kundenwahrnehmung + Kundennähe + Kundenakzeptanz + Kundenzufriedenheit
Abbildung 1 veranschaulicht den ganzheitlichen Ansatz der Marketing-Gleichung, in dem sie die einzelnen Prozessphasen in einen zeitlichen und inhaltlichen Wirkungszusammenhang stellt.
Abbildung 1: Marketing-Prozessphasen
Keine mathematisch-deterministische Begriffsauslegung
Es geht aber nicht um eine mathematisch-deterministische Auslegung des Begriffs „Gleichung“. Angestrebt wird vielmehr der Gedanke eines herzustellenden Gleichgewichts (und Identität) zwischen dem Wettbewerbsvorteil an sich und dem vom Kunden honorierten Wettbewerbsvorteil. Mit anderen Worten, hinter dieser Begriffsbildung steht die Überlegung, dass das Gleichgewicht durch die Addition der einzelnen, an Kundenkriterien ausgerichteten Prozessphasen erreicht werden kann. Zur Veranschaulichung dieser Gleichgewichtsbeziehung dient die in der untenstehenden Abbildung 2 vorgenommene Darstellung in Form einer Waage.
Abbildung 2: Marketing-Waage
Mit der Marketing-Gleichung ist ein praxisorientierter Ansatz entstanden, der auf eine (mehr theoretische) Trennung von Strategie und Mix verzichtet, gleichwohl aber ein Vorgehensmodell und einen Handlungsrahmen für die zielgerichtete Maßnahmenplanung und den entsprechenden Mitteleinsatz darstellt. Auf dem Fundament der Marketing-Gleichung werden sodann für jede Prozessphase die entscheidenden Aktionsparameter und Werttreiber sichtbar gemacht (Abbildung 3).
Abbildung 3: Marketing-Systematik
Empfohlene Literatur:
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