Leider nichts, aber auch gar nichts. Dabei wäre es so leicht gewesen, den mit dem Dieselskandal eingeleiteten Veränderungsprozess für sich zu nutzen und Nachhaltigkeit zu demonstrieren. Dazu hätte es nur eines kleinen Schrittes bedurft. Doch beginnen wir von vorne: Was ist eigentlich „nachhaltige Unternehmensführung“?
Nachhaltige Unternehmensführung ist nicht die unternehmensseitige Unterstützung von Kultur- und Sportveranstaltungen, Spenden, Sponsoring, die Gründung von Stiftungen oder die Übernahme von Ehrenämtern. Derartige gute Taten sind keine Belege für „Nachhaltigkeit“, sondern für (zweifellos notwendiges und löbliches) unternehmerisches Engagement.
Nachhaltige Unternehmensführung betrifft das Kerngeschäft. Es ist keine ‚zusätzliche’ Aktivität, sondern eine Denkhaltung, das Kerngeschäft zu betreiben: Es geht nicht darum, was mit den Unternehmensgewinnen gemacht wird, sondern wie die Gewinne zu erzielen sind: ökonomisch erfolgreich, sozial verantwortlich und zugleich umweltverträglich. Damit sind auch die drei Säulen der Nachhaltigkeit benannt: Ökonomische Verantwortung, soziale Verantwortung und ökologische Verantwortung.
Wohlgemerkt, es geht hier um das Verhalten der Automobilindustrie nach und nicht vor Bekanntwerden der Abgaswertemanipulation. Vorher hatte zumindest der VW-Konzern mit der Schummelsoftware ohnehin gegen alle drei Säulen der Nachhaltigkeit verstoßen (ökologisch: Installation der Manipulationssoftware, ökonomisch: Einbruch des Aktienkurses in Verbindung mit milliardenschweren Rückstellungen und Vertragsstrafe, sozial: Gefährdung von mehreren Tausend Arbeitsplätzen).
Aber auch nach dem Bekanntwerden der Abgaswertemanipulation hat sich die Automobilindustrie nicht gerade weitsichtig und schon gar nicht nachhaltig verhalten. Warum? Als es darum ging, ein Fahrverbot für Dieselfahrzeuge zu vermeiden, obwohl Euro-4 und Euro-5-Fahrzeuge zum Zeitpunkt des Kaufs rechtkonforme Fahrzeuge waren, bot sich mit der Hardware-Nachrüstung eine Lösung an, die sowohl Käufer als auch Öffentlichkeit zufriedengestellt hätte. Einzige Bedingung dabei: die Nachrüstkosten werden von den Automobilbauern voll übernommen. Also ein vergleichsweise kleiner Schritt für die Automobilhersteller. Hierzu waren diese aber nicht bereit, weil Hardware-Nachrüstungen gegenüber Software-Updates zu aufwendig und zu teuer seien. Aus Sicht von Umweltverbänden, die inzwischen wohl im Schlepptau der „Grünen“ die Deutungshoheit in der Dieselfrage erobert haben, reichen aber Software-Updates der Hersteller bei weitem nicht aus, um die Schadstoff-Emissionen entsprechend zu senken. In vielen Städten werden Schadstoff-Grenzwerte überschritten, Diesel-Fahrzeuge seien ein Hauptverursacher. In zwölf Städten drohen inzwischen Diesel-Fahrverbote.
Nun hatten Experten berechnet, dass Hardware-Nachrüstungen bei älteren Dieselfahrzeugen in der Summe etwa fünf Milliarden Euro kosten würden. Davon entfielen etwas mehr als die Hälfte auf den Marktführer VW (2,6 Mrd. Euro), auf BMW rund 660 Millionen Euro und auf Daimler 530 Millionen Euro. Ford müsste knapp 400 Millionen Euro ausgeben, Opel 310 Millionen. Angesichts der etwa 16,5 Milliarden Euro, die der VW-Konzern allein in den USA zahlen musste, nehmen sich die fünf Milliarden Euro (verteilt auf fünf Konzerne) noch richtig bescheiden aus. Doch selbst wenn die Umrüstkosten das Doppelte, also 10 Milliarden betragen hätten, aus Sicht einer nachhaltigen Unternehmensführung hätte sich eine kostenlose Hardware-Nachrüstung immer noch ausgezahlt, denn der Imageschaden für die gesamte deutsche Automobilindustrie, dem ehemaligen Flaggschiff der deutschen Wirtschaft, ist – befeuert von der oben erwähnten Deutungshoheit – ungleich höher anzusetzen. Warum?
Nein, es ist nicht die „größte Sammelklage Europas“, die über 15.000 VW-Kunden eingereicht haben und deren Ausgang wie ein 300 Millionen schweres Damoklesschwert über dem Wolfsburger Autobauer schwebt.
Ja, es ist die ungeheure Empörung in allen Teilen der Bevölkerung. Deutungshoheit hin oder her. Denn damit verbunden ist ein Imageverlust, der heute noch gar nicht in seiner enormen Tragweite zu überschauen ist. Ein Imageschaden, der sonst nur noch mit dem dramatischen Reputationsverlust der Banken und der deutschen Fußballnationalmannschaft verglichen werden kann. Ein Vergleich mit dem Fußball, der bekanntlich schönsten Nebensache der Welt? Ja, genau! Weil Auto und Fußball die beiden Lieblingskinder der Deutschen sind und damit viel stärker als alles andere emotionalisiert werden. Aber nun eben nicht mehr und es wird Jahre dauern, bis solche Ansehensverluste wieder wettgemacht werden können.
Ein Beispiel soll deutlich machen, welch enormes Ausmaß der Imageverlust der Automobilindustrie in einer Zielgruppe, an die man nicht unbedingt zuerst denkt, inzwischen bereits angenommen hat. Die Rede ist von unseren jungen Studierenden und Hochschulabsolventen: Waren früher Daimler, BMW, Porsche oder Audi die beliebtesten Wunscharbeitgeber für Hochschulabsolventen, so wird heute die Automobilbranche unter „ferner liefen“ im Arbeitgeber-Ranking für den Berufseinstieg genannt. Warum ist diese Zielgruppe so wichtig und bemerkenswert? Immerhin sind es 2,8 Millionen Studierende, die zum einen potenzielle Käufer und zum anderen wichtige Meinungsführer und Multiplikatoren in unserer Gesellschaft sind.
Kommen wir zurück zu den drei Säulen der Nachhaltigkeit: Aufgrund der – aus Sicht der Bevölkerung – nicht wahrgenommenen ökologischen Verantwortung des Automobilmanagements gegenüber Umwelt und Stakeholdern, zu denen als größte Gruppe die Kunden gehören, hat sich eine derartige Empörung breit gemacht, dass sie der Automobilindustrie das Vertrauen entzogen haben. Die daraus resultierende mangelnde Kaufbereitschaft hat sodann eine unmittelbare negative Wirkung auf die ökonomischen und sozialen Ziele mit Absatz- und Gewinnrückgang und entsprechender Gefährdung von Arbeitsplätzen. Das Automobilmanagement hätte ganz einfach erkennen müssen, dass gegen die Deutungshoheit der Umweltverbände kein Ankommen ist und dass in dieser Krise auch eine Chance liegen kann.
Vertiefende Informationen hier.
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