Ein Leben ohne Social Media ist möglich – aber nicht vorstellbar. Oder doch?

Wer im Internet unterwegs ist, hinterlässt jede Menge Datenspuren, die mit den richtigen Auswertungsmethoden ziemlich genaue Rückschlüsse über das Konsum- und Freizeitverhalten, über Hobbies, Vorlieben und Gewohnheiten zulassen. Doch nicht nur das, die Datenspuren liefern den Algorithmen den Input darüber, wofür wir uns morgen interessieren und welche Güter wir kaufen werden. Solche Datenspuren sind wie Fuß- oder gar Fingerabdrücke, die in aller Regel bestehen bleiben. Aber wollen wir das?

Das Internet hat uns verändert. Die sozialen Netze haben uns verändert, noch mehr, sie sind dabei, uns zu beherrschen. Für jeden Dritten unter uns und für jeden zweiten der jüngeren Generation ist ein Leben ohne Social Media unvorstellbar geworden (siehe Grafik).

Google, Facebook und Amazon bestimmen mittlerweile große Teile unseres Konsums und unseres Freizeitverhaltens. Ihr Geschäftsmodell ist es, unsere Wünsche und unsere Zukunft, die sie mit ihren Algorithmen berechnen, zu monetarisieren. Aber wollen wir das?

Sicherlich, wir haben uns daran gewöhnt, in neuen Dimensionen zu denken und neue Verknüpfungen zu bilden. Die Werkzeuge im Internet haben aber einen weiteren Entwicklungsschritt gemacht, dem wir offensichtlich nicht mehr folgen können. An die Stelle statischer Websites, die – vergleichbar der analogen Welt – Informationen und Dienste in überschaubarer Ordnung anbieten, treten soziale Netzwerke mit locker geknüpften Beziehungen im Netz. Aus Daten, Beziehungen und Informationen schaffen sie einen Fluss, der sich beständig erneuert. Und wir alle schwimmen mit. In diesem Fluss. Viele Nutzer fühlen sich von diesen Strömen überfordert. Social Networks vereinen Angehörige, Bekannte und Unbekannte; sie führen uns zu einer „halböffentlichen Existenz“, Privatheit lässt sich kaum mehr bewahren. Selbst wer vorsichtig mit seinen persönlichen Daten umgeht, kann nicht entscheiden, was durch die von ihm hinterlassenen Spuren über ihn herauszubekommen ist.

Es gibt zwei Möglichkeiten: Austritt aus dem Netzwerk oder Verbesserung der Rahmenbedingungen.

Warum also verlässt man das Netzwerk nicht? Aus Angst, die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe zu verlieren? Oder ist es der Zwang zur Selbstinszenierung, der in unseren Netzwerken oft eine noch größere Rolle einnimmt als die Kommunikation.

Wie sagte einmal der Psychologe Ernst Pöppel in der FAZ: „Facebook beispielsweise ist eine Art Selbstprostitution, eine Offenlegung von Intimität ohne Verpflichtungen. Man öffnet sich nicht wirklich, will sich aber zeigen. Es ist gewissermaßen Selbstkommunikation – ein öffentliches Tagebuch, das nur so tut, als wäre es Kommunikation.“

Wenn es aber weder die Angst ausgeschlossen zu werden, noch der Zwang zur Selbstinszenierung ist, dann muss es doch wenigstens um die Rückgewinnung der eigenen Autonomie im Netz, also um die digitale Aufklärung gehen. Für diese Rückeroberung braucht es zwei Dinge, zu denen die sozialen Netze längst die Voraussetzungen bieten:

Erstens: Wir benötigen Informationen über die Verknüpfungen, damit wir bewusst entscheiden können, wie weit unser öffentliches Leben im Netz reichen soll.

Zweitens: Die Informationsströme, d.h. die Äußerungen der sich im Netz bewegenden Nutzer verlangen nach zusätzlichen Filtern, um dem Denken zugänglich zu sein.

Abschließend noch ein Wort zur „Allmächtigkeit“ der Algorithmen: Algorithmen sind nicht moralisch und nicht intelligent. Algorithmische Filter führen zu einem Mainstreaming. Sie wissen über unsere Zukunft nur, was in unserer Vergangenheit geschah. Bekanntes wird durch Wiederholung und gleichartige Ergänzungen verstärkt; Unbekanntes und Anderslautendes wird ausgeblendet.

Vertiefende Lektüre: https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/digitales-denken/digitale-aufklaerung-unser-denken-soll-das-internet-lenken-1611244.html

 

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