Digital Leadership – was ist das eigentlich?

„Digital Leadership“ ist in aller Munde. Es ist sogar – zumindest in den Personalabteilungen – zum Reizwort geworden. Es ist eines der vielen Anglizismen, die ohne große Reflexion in unseren Sprachgebrauch übernommen worden sind. Aber damit haben wir uns mal wieder ein „Ei auf die Schiene genagelt“. Warum? Wörtlich übersetzt bedeutet es „Digitale Führung“. Und schon kommen die Fragen: Wo und wie kann man digitale Führung lernen? Welche Voraussetzungen sind dazu erforderlich? Doch ist das wirklich damit gemeint? Oder noch deutlicher: Wollen wir das überhaupt? Wollen wir uns in den Betrieben wirklich digital – also z. B. von Robotern – führen lassen?

Nein, das wollen wir sicherlich nicht. Gemeint ist also nicht die digitale Führung, sondern vielmehr eine „digitale Führungskompetenz“!

Von der Digitalisierung erwarten unsere Unternehmen Effizienz, Weiterentwicklung und Wettbewerbsvorteile in angestammten und neuen Märkten. Dazu ist in vielen Betrieben eine Überarbeitung der gesamten Wertschöpfungskette notwendig: Digitale Informationen müssen gesammelt, verarbeitet und in marktfähige Angebote übertragen werden. Ein Management ist gefragt, das diesen Prozess verstehen, anstoßen, steuern und überwachen muss. Also ein Management, das über digitale Führungskompetenz verfügt.

Doch nun zum eigentlichen Kern der Überlegungen: Wodurch unterscheidet sich digitale Führungskompetenz von herkömmlicher Führungskompetenz?

In der Kompetenzforschung haben sich nach Erpenbeck/Heyse vier Schlüsselkompetenzgruppen zur Erklärung der Führungskompetenz herausgebildet:

  • Personale Kompetenzen (z.B. Loyalität, Glaubwürdigkeit, Eigenverantwortung)
  • Aktivitäts- und Handlungskompetenzen (z.B. Tatkraft, Entscheidungsfähigkeit, Initiative)
  • Fach- und Methodenkompetenzen (z.B. Fachwissen, Planungsverhalten, Marktkenntnisse)
  • Sozial-kommunikative Kompetenzen (z.B. Kommunikations-, Integrations-, Teamfähigkeit).

Geht man jetzt von der (herkömmlichen) Führungskompetenz zur digitalen Führungskompetenz über, so kommen zwei Kompetenzen hinzu, die in dieser Kompetenzarchitektur so nicht zu finden sind und als Querschnittskompetenzen bezeichnet werden können: die Medienkompetenz und die interkulturelle Kompetenz. Medienkompetenz wird zwar nicht unbedingt von einer Führungskraft erwartet, der sichere Umgang mit sozialen Medien wird aber immer wieder als entscheidender Mangel aktueller Führungskräfte angesehen. Als solch ein Mangel gilt auch die interkulturelle Kompetenz, denn in der Praxis nehmen Führungskräfte meist nur dann an interkulturellen Trainings teil, wenn sie eine längere Zeit im Ausland verbringen werden. Und das im Zeitalter der Globalisierung, wo Geschäfte mit internationalen Kunden und die Zusammenarbeit mit ausländischen Arbeitnehmern zum Tagesgeschäft gehören sollten.

Auf der Grundlage dieser beiden (zusätzlichen) Kompetenzen muss die Führungskompetenz dahingehend entwickelt werden, dass mit Begeisterung und Offenheit geführt wird. Begeisterung deshalb, weil selbst begeistert sein und andere begeistern können, zwei der wichtigsten elementaren Führungseigenschaften sind. Begeisterung vor allem auch deshalb, weil die Generation Z (Geburtsjahrgänge ab 1995) in der Führung durch Begeisterung einen ganz wichtigen Schlüssel für oder gegen ein Unternehmen als Arbeitgeber sieht. Offenheit deshalb, weil in einer sich ständig ändernden Umwelt eine permanente Lern- und Veränderungsoffenheit grundlegend ist. Offenheit aber auch deshalb, weil organisationale Offenheit und damit Vertrauen die Währung im digitalen Zeitalter und in der digitalen Führungskultur ist.

Apropos Vertrauen: Moderne Unternehmen haben bereits damit begonnen, ihre Personalentwicklung komplett umzustellen und auf sämtliche Rankings ihrer Mitarbeiter zu verzichten. Der Grund: Die jährlichen Gespräche sind mit viel Aufwand, aber wenig Ertrag verbunden. Das bedeutet in der Konsequenz, dass die vielen Year-End-Reviews, die in aller Regel mit einer Kalibrierung der Mitarbeiter (also einem Vergleich bzw. Ranking der Kollegen einer Grade-Stufe) verbunden sind, obsolet werden.

Schulnoten für Mitarbeiter sind nicht mehr zeitgemäß. Stattdessen ist es der kontinuierliche Dialog zwischen Führungskräften und Mitarbeitern und damit der permanente Austausch zu den vereinbarten Zielen. Das führt zu einer Entschlackung von liebgewonnenen, organisationsweiten Prozessen, die aus einem Vollständigkeits- und Kontrollwahn einst installiert wurden, aber einer Vertrauens- und Führungskultur diametral entgegenstehen. Das kommt einem Paradigmenwechsel in der Personalentwicklung gleich. Anstatt der starren Mechanik – gute Note gleich hoher Bonus – fließen andere Faktoren in die Vergütungsentscheidungen ein wie zum Beispiel die allgemeine Marktentwicklung oder die Frage, in welcher Gehaltsbandbreite sich jemand bewegt, ob ein Nachholbedarf besteht oder welche Rolle das jeweilige Geschäftsumfeld spielt.

Die digitale Transformation ist also ein Leadership- und ein Kultur-Thema. Jede Firmenkultur braucht ihren eigenen Zugang zu den jeweils passenden Kommunikationstechnologien. Jede Kultur tickt anders, verarbeitet ihre Informations- und Kommunikationsflüsse unterschiedlich. Hier besteht zum Teil ein erheblicher Handlungsbedarf, denn Kultur wird nicht verordnet, sondern muss (vor-)gelebt werden. Letztlich geht es um die Frage, wie es Führungskräfte schaffen können, die menschliche Lebendigkeit und Intelligenz zu aktivieren und zu erhalten, so dass nicht das Regime der Prozesse, Strukturen und Technologien die Kreativität der menschlichen Natur erstickt.

Quellen:

Ciesielski, M.A./Schutz, T.: Digitale Führung. Wie die neuen Technologien unsere Zusammenarbeit wertvoller machen, Wiesbaden 2016

Lippold, D.: Marktorientierte Unternehmensführung und Digitalisierung – Management im digitalen Wandel, Berlin – Boston 2017

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