In der Sache eigentlich gar nichts und in der Denkhaltung doch so viel! Die Messung und Einhaltung von Abgaswerten hat zunächst einmal nichts mit CSR (Corporate Social Responsibility) zu tun. CSR ist bei deutschen Unternehmen seit geraumer Zeit ein beliebtes Schlagwort. Viele Firmen sammeln darunter alles, was sie oder ihre Mitarbeiter an Gutem tun: Kultur- und Sportveranstaltungen, Spenden, Sponsoring, die Gründung von Stiftungen oder die Übernahme von Ehrenämtern. Derartige gute Taten sind aber keine Belege für „CSR“, sondern für Corporate Citizenship (CC), also für bürgerschaftliches Engagement.
Dagegen betrifft CSR das Kerngeschäft: CSR ist anders als CC keine ‚zusätzliche’ Aktivität, sondern eine Art Denkhaltung, das Kerngeschäft zu betreiben: Es geht nicht darum, was mit den Gewinnen gemacht wird, sondern wie die Gewinne zu erzielen sind: umweltverträglich, sozial verantwortlich und zugleich ökonomisch erfolgreich. Damit sind auch die drei Säulen der Nachhaltigkeit benannt: Ökonomische Verantwortung, soziale Verantwortung und ökologische Verantwortung gegenüber den Stakeholdern. Dabei nehmen die ökologische und soziale Verantwortung sicherlich eine engere Nähe zu ethischen Überlegungen als die reine ökonomische Sicht ein.
Zurück zu VW: Ökonomisches Verhalten, also Gewinnorientierung, Liquiditätssicherung, Lieferkettenoptimierung und dergleichen kann man den Wolfsburgern sicherlich ebenso wie die soziale Verantwortung, also die verschiedensten Maßnahmen zum Ausbau und zur Sicherung der Arbeitsplätze unterstellen. Wie sieht es aber im VW-Management mit der dritten Säule, der ökologischen Verantwortung aus? Fehlanzeige! Mit der Manipulation von Abgaswerten hat das Management sehr deutlich gezeigt, dass es die drei Verantwortungssäulen nicht gleichrangig verfolgt, sondern dass es die ökologische Verantwortung dem puren Gewinnstreben, also der ökonomischen Verantwortung opfert. Mit dem Ergebnis, dass aufgrund der vorzunehmenden, unermesslich hohen Rückstellungen in Höhe von 16,2 Milliarden Euro nicht nur die ökonomische Säule einbricht, sondern mit dem damit einhergehenden Verlust von Arbeitsplätzen auch die soziale Verantwortung gedemütigt worden ist.
Ein solches Managementverhalten in einem Vorzeigeunternehmen wie VW ist umso unverständlicher, weil eine Regierungskommission bereits 2002 mit dem Deutschen Corporate Governance Kodex eine gesetzliche Grundlage geschaffen hat, welche die Arbeit von Managern und Aufsichtsräten für die Stakeholder überprüfbar und mit anderen Firmen vergleichbar machen soll. Der Kodex empfiehlt Verhaltensstandards zur Unternehmensführung und -überwachung und gibt Instrumente wie das Risikomanagement vor. Danach müssen Unternehmen auch gesellschaftliche Erwartungen erfüllen (Compliance). Andernfalls riskieren sie hohe Kosten, Umsatzverluste und Imageschäden – bis hin zum Verlust der „gesellschaftlichen Betriebsgenehmigung“ (engl: licence to operate).
Doch was nützen solche Vorkehrungen, wenn sie vorsätzlich umgangen und nicht sanktioniert werden? Doch, die Sanktionierung erfolgte ja letztlich durch den ungeheuren Imageschaden, der bei VW entstanden ist. Anscheinend ist aber der Lerneffekt beim Management auf der Strecke geblieben, denn statt auf den (rechtlich) fälligen Bonus zu verzichten, hat man sich beim für die Abgasmanipulationen verantwortlichen Vorstand auf einen Bonusaufschub geeinigt. Angesichts solcher Gier fragt sich die Öffentlichkeit nicht zu Unrecht nach den ethischen Grundsätzen und der Denkhaltung des obersten VW-Managements. Und so ist es denn auch kein Wunder, dass sich die Gewerkschaft mit der Forderung nach einer Lohnerhöhung von fünf Prozent (bei nahezu Null Prozent Inflation) gleich dranhängt.
CSR und die drei Säulen der Nachhaltigkeit sind mal wieder mit Füßen getreten worden. Schade, wieder ist eine Chance vertan worden, eine zukunftsorientierte Denkhaltung, die gesellschaftliche Verantwortung in das Kerngeschäft von Unternehmen integriert, zu mehr Durchbruch zu verhelfen.
(Mehr dazu in „Die Marketing-Gleichung. Einführung in das prozess- und wertorientierte Marketingmanagement“, 2. Aufl., de Gruyter Oldenbourg sowie „Die Unternehmensberatung. Von der strategischen Planung zur praktischen Umsetzung“, 2. Aufl., Springer Gabler)
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