Testimonials – mal cool, mal unterirdisch

 Gehässige Zeitgenossen behaupten, dass werbetreibende Unternehmen, denen sonst nichts Gutes einfällt, voll auf Testimonials setzen. Doch wie dem auch immer sei, Werbung mit bekannten Testimonials steht in Deutschland nach wie vor hoch im Kurs – sowohl für B2C als auch für B2B. Testimonials können für Marken zum Segen werden. Es kann aber auch voll in die Hose gehen. Worauf kommt es beim Testimonial an? Wer ist der deutsche Testimonial-Spitzenreiter?

Zunächst eine begriffliche Klarstellung: Im Englischen bezeichnet Testimonial eine Referenz bzw. Fürsprache für ein Produkt, eine Dienstleistung, eine Idee oder Institution durch eine Person. Im Deutschen wird der Begriff häufig für die werbende Person an sich verwendet und bezieht sich in den meisten Werbebotschaften auf den Einsatz von bekannten Persönlichkeiten aus Film, Fernsehen, Musik oder Sport. Doch der Begriff ist weitergefasst: Es kann sich um eine reale Person handeln oder auch um eine fiktive Gestalt (Werbefigur). Typische Testimonials sind Prominente, Experten, Mitarbeiter oder stilisierte Nutzer. Bekannte fiktive Testimonials im deutschsprachigen Raum sind bzw. waren der Versicherungsvertreter Herr Kaiser (Hamburg-Mannheimer) und Klementine (Ariel).

Es müssen nicht immer Prominente sein

Testimonial-Werbung wird als eine besonders effektive Methode angesehen, Werbebotschaften zu übermitteln. Testimonials sollen glaubwürdige und kompetente Personen sein, die als Markenbotschafter eingesetzt werden und das Werbeobjekt, also das Produkt, eine Dienstleistung oder das gesamte Unternehmen präsentieren. Auf diese Weise sollen bei der Zielgruppe Prozesse ausgelöst werden, die eine Identifikation mit der werbenden Person ermöglichen. Besonders gefragt sind Sportler, Musiker und Schauspieler. Solche Personen müssen aber nicht zwingend Prominente sein. Es können auch Experten oder typische Kunden, wie z.B. die Brillenträger von Fielmann sein. Testimonials werden in der Werbung genutzt, um der Marke Emotionalität zu verleihen, den Markenwert zu steigern, Imagewerte zu verbessern und damit den Umsatz zu erhöhen.

Drei Kriterien für den Kommunikationserfolg

Entscheidend für den späteren Kommunikationserfolg sind aber ein paar Kriterien, die unbedingt beachtet werden sollten, damit die Werbung nicht nach hinten losgeht.

Wichtig ist zu allererst die richtige Auswahl der Persönlichkeit, mit anderen Worten: Die Person und das Unternehmen müssen zusammenpassen. George Clooney und Nespresso, Dirk Nowitzki und ING-DiBa oder Thomas Gottschalk und Haribo passen zusammen. Der Sex-Pistols-Sänger Johnny Rotten wirbt für Mundhygiene und das, obwohl der „König des Punk“ so gut wie keine eigenen Zähne mehr hat. Dennoch hat ihn das Münchner Zahnpflege-Start-up Happybrush vor die Kamera geholt und einen „schrecklich ehrlichen“ Film gemacht, bei dem das Testimonial als warnendes Beispiel herhalten muss. Einfach genial!

Dass Promi-Werbung auch mal nach hinten losgehen kann, zeigt der überflüssige Einsatz von Barbara Schöneberger in der Homann-Werbung. Es ist ein Beispiel dafür, dass Testimonials bisweilen „auf Teufel komm raus“ eingesetzt werden – ohne dass dafür eine Notwendigkeit besteht. Die TV-Moderatorin wirkt in dem Spot des Lebensmittelherstellers wie im falschen Film.

Gemeinsamkeiten von Tiger Woods, Kate Moss, Uli Hoeneß und Franz Beckenbauer

Ein zweites Kriterium für den Erfolg ist ein Werteabgleich. So sollte sich jedes Unternehmen fragen, ob der Promi wirklich zu den Unternehmenswerten und -zielen passt. Besonders gefährlich ist es, wenn die illustren Persönlichkeiten jenseits der Werbung ein unkontrollierbares Eigenleben führen. Wenn das Testimonial also in einen Skandal verwickelt ist oder anderweitig negativ auffällt, wird es brenzlig. So geschehen beim Golfstar Tiger Woods, dem nach seinen außerehelichen Affären von seinen Werbepartnern Accenture, Nike, AT&T und Gatorade gekündigt wurde, weil sein Verhalten mit den Unternehmenswerten seiner Werbepartner nicht mehr vereinbar war. Ähnlich war es beim britischen Top-Model Kate Moss, der nach ihrem öffentlich bekanntgewordenen Drogenkonsum zahlreiche Werbeverträge gekündigt wurden, oder bei Uli Hoeneß nach Bekanntwerden seiner Steueraffäre. Und auch Franz Beckenbauer, mit seinem ubiquitären Einsatz in zahlreichen Kommunika­tionskampagnen jahrelang der Spitzenreiter im deutschen Testimonial-Ranking, wird nach seiner Nähe zu einem vermeintlichen „Kauf“ der WM 2006 heutzutage kaum mehr in einem Werbespot beobachtet.

Und damit sind wir beim dritten Kriterium für eine erfolgreiche Markenbotschaft. Angesprochen ist die Forderung der Werbetreibenden, dass ihre prominenten Markenbotschafter nur für wenige Marken werben. Selbst unkritische Verbraucher hinterfragen die Botschaft, wenn ein Promi in jedem zweiten Werbespot für andere Produkte auftaucht. Laut Umfragen schafft derzeit nur TV-Moderator Günther Jauch den Spagat, quasi für fast alles glaubwürdig zu sein. Eine vollständige Markenexklusivität des Testimonials zu fordern, wäre sicherlich naiv, aber der Glaubwürdigkeit sehr dienlich.

Jürgen Klopp – der fünfzehnfache Werbebotschafter

Schauen wir auf Jürgen Klopp, der Franz Beckenbauer als Spitzenreiter im Testimonial-Ranking abgelöst hat. Klopp kleisterte für Henkels Metylan, knabberte die Cerealien-Riegel von Kinder-Country und den Brandt-Zwieback, er rasierte sich für Philipps, ließ sich bei Ergo versichern, legte sein Geld zunächst bei den Volks- und Raiffeisenbanken und später bei der Deutschen Vermögensberatung an, ließ sich vom italienischen Ausrüster Kappa bedienen, trinkt gerne Warsteiner, fuhr Mitsubishi, Seat und jetzt vorzugsweise Opel. Seit 2016 ist der Kult-Trainer für den Sportartikelhersteller New Balance Football, dem Ausrüster vom FC Liverpool, aktiv und in diesem Jahr wirbt er zusätzlich für den Schuh-Spezialisten New Balance und die Mobile-Gaming-Firma Digamore, die mit dem Computerspiel „Football Empire“ Fußfalls auf dem Smartphone beglücken will. Angesichts dieser Inflation von Testimonialverträgen müssen sich nicht nur die Verbraucher fragen, wie lange der ubiquitäre Einsatz von Jürgen Klopp noch gut geht. Alleine drei verschiedene Automarken glaubwürdig zu bedienen, ist schon eine bemerkenswerte Kunst …

Gut ist letztlich immer, was auf Anhieb sympathisch und vor allem glaubwürdig rüberkommt, gemeinsam mit der Marke eine stimmige Geschichte erzählt – und im Gedächtnis hängenbleibt. Und wenn man schon ein mehrfacher Markenbotschafter ist, dann sollten sich wenigstens die Zielgruppen nicht allzu arg überschneiden.

Die Bayern kommen – nicht nur da

Doch vielleicht ist das schon bald alles Vergangenheit. Denn die Bayern sind auf dem Vormarsch, nicht nur da. Zwar führt Klopp laut „absatzwirtschaft“ weiter die Top 20 der „besterinnerten Testimonials“ an, weit vor Helene Fischer (Rang 10), den Geissens (15), Heino (16) und Til Schweiger (19). Doch mit Manuel Neuer (Platz 2) und Thomas Müller (3) sind ihm bereits zwei Bayern auf den Fersen. Nimmt man noch die Ex-Bayern Bastian Schweinsteiger (Rang 4) und Oliver Kahn (13) hinzu, so ließe sich damit locker ein ganzer Werbeblock füllen. Überhaupt die Bayern: Sie füttern, trinken und wetten um die Wette. Vor allem aber rasieren Sie sich: Müller nass, Boateng, Lewandowski und Kimmich trocken. Das „Beste im Mann“ ist halt das Beste für den Verbraucher (jedenfalls so lange der mitmacht!) …

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2 Kommentare

  1. Hallo Herr Lippold,
    ich finde den Beitrag sehr interessant. Ein Aspekt, der beim Thema Testimonials aber sicherlich immer mehr an Bedeutung gewinnt sind meiner Meinung nach Youtuber, die ja gleichzeitig auf vielerlei Kanälen für ein Produkt werben und für eine Marke stehen. Vielleicht können Sie ja in Zukunft einmal näher auf diese Thematik eingehen? Freundliche Grüße Sarah Prinz

    • Vielen Dank für den Hinweis. Ja, das ist in der Tat ein spannendes Feld, auf dem sich Testimonials jetzt zunehmend bewegen. Hier müssen wir aber noch erste Ergebnisse und Auswertungen abwarten.
      Beste Grüße D.L.

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