Was unterscheidet eigentlich Talente von High Potentials?

„Getting the right people with the right skills into the right jobs“ ist die Maxime des Personalmanagements in Verbindung mit der Zielgruppe der High Potentials. Doch wer sind die “right people”?  Was unterscheidet High Potentials von „normalen“ Talenten?

Der Begriff Talent, der sich in seiner ursprünglichen Bedeutung allgemein auf Elemente wie Ausgleich und Begabung bezog, ist mehrheitlich stark positiv besetzt und geht heute einher mit Bezeichnungen wie Hochleistungsträger, Top-Performer, A-Player oder Hochbegabte.

Insofern kann man bei erster Betrachtungsweise beide Begriffe – also Talent und High Potential –  synonym behandeln. Im Folgenden wird gezeigt, dass man zudem Talente einmal als Obermenge und einmal als Vorstufe von High Potentials begreifen kann.

High Potentials als Teilmenge von Talenten

Zur konkreten (mengentheoretischen) Abgrenzung der Begriffe High Potentials und Talente werden zwei Faktoren herangezogen: Leistung und Potenzial. Betrachtet man diese als unabhängige Dimensionen und führt sie zusammen, so spannen sie eine zweidimensionale Matrix auf, die in dieser oder in ähnlicher Form in vielen Unternehmen angewendet wird und dabei helfen soll, High Potentials von anderen Mitarbeitergruppen zu unterscheiden.

Die Leistungsbeurteilung basiert auf dem „Können“ in der Vergangenheit oder Gegenwart. Leistung basiert auf vorhandenen Kompetenzen und berücksichtigt den „Output“ des Mitarbeiters. Das Leistungsergebnis ist daher messbar. Doch selbst wenn Mitarbeiter ein hohes Leistungsniveau zeigen, so müssen diese noch lange nicht High Potentials sein. Der Grund: Die vorhandenen Kompetenzen und deren Ausprägungen entsprechen lediglich den Anforderungen an die derzeitige Position. High Potentials sollen aber in Zukunft weiterführende, erfolgskritischere Positionen bekleiden. Daher lehnen manche Autoren die Berücksichtigung von Leistung zur Bestimmung von High Potentials ab. Stattdessen betonen sie stärker den Potenzialaspekt.

Die Potenzialbeurteilung ist dagegen eher zukunftsbezogen und geht vor allem von dem erwarteten zukünftigen Beitrag der Führungskräfte bzw. Mitarbeiter zur Erreichung der Unternehmensziele aus. Damit wird der zukunftsbezogene Aspekt des Potenzials deutlich. Allerdings muss die Existenz von Potenzial nicht zwangsläufig dazu führen, dass die jeweilige Person die erforderlichen Kompetenzen (und damit die erhoffte Leistung) auch tatsächlich entwickelt. Entscheidend dafür ist die Motivation (also das „Wollen“). Nur dann, wenn die Person die Lernfähigkeit und Lernbereitschaft aufweist, sich den notwendigen zukünftigen Anforderungen anzupassen, erscheint der High Potential-Status gerechtfertigt.

Zurück zur mengentheoretischen Betrachtung der beiden Begriffe Talente und High Potentials. Abbildung 1 zeigt High Potentials als Teilmenge der Talente, die wiederum die gesamte Gruppe der Menschen mit einem hohen Potenzial umfasst. High Potentials verfügen darüber hinaus über das Merkmal eines hohen Leistungsniveaus.

  Abbildung 1: Leistungs-Potenzial-Matrix

Talent als Vorstufe von High Potentials

Eine Darstellung, die etwas weiter ausdifferenziert ist, zeigt das „Personalportfolio“ in Abbildung 2. Danach werden als Talente jene Mitarbeiter angesehen, die über ein hohes Potenzial zur Wahrnehmung komplexer Aufgaben verfügen und sich auf dem Entwicklungsweg zu einem High Potential befinden. Gleichzeitig werden aber noch weitere Mitarbeitergruppen (z. B. Fragezeichen, Problemfälle) aufgeführt, die in dieser zweidimensionalen Matrix verortet sind.

  Abbildung 2: Personalportfolio

Beide Abbildungen machen deutlich, dass die Grenze zwischen Talenten und High Potentials fließend ist.

Hinzu kommt noch eine weitere Überlegung, die in den beiden Wertschöpfungsketten der Personalmarketing-Gleichung ihren Ausgang hat (siehe Abbildung 3):

So kann es in der Wertkette Personalbeschaffung definitionsgemäß noch gar keine High Potentials geben, da diese ja noch keinen Leistungsnachweis (zumindest in diesem Unternehmen) erbringen konnten. Insofern zielen die Personalbeschaffungsaktivitäten auf die Gewinnung von Talenten. Bei der Wertkette Personalbetreuung geht es dagegen um die Bindung von Talenten und deren Weiterentwicklung zu High Potentials.

  Abbildung 3: Die beiden Wertschöpfungsketten der Personalmarketing-Gleichung

Ausführliche Hintergrundinformationen und Quellen finden Sie hier:

 

4 Kommentare

  1. Vielen Dank für diesen informativen Artikel, der Kernaspekte bzw. -begriffe aus Ihrer Fachliteratur noch einmal bündig und übersichtlich zusammenfasst.

    Haben Sie sich schon einmal akademisch bzw. empirisch mit der Signaling-Theorie im Zusammenhang mit Talenten/ High Performern befasst?

    Spannend wäre gegebenenfalls die Beschäftigung mit Signalen, die ein potentieller Bewerber senden möchte und kann, um als Talent wahrgenommen zu werden, oder auch die Frage, welche Signale, die eine Person, die bereits als Talent (bzw. Promotable Performer, wenn der Begriff „Talent“ als Obermenge dient) identifiziert wurde vom jeweiligen Arbeitgeber, aussenden kann und sollte, um sukzessive als High-Potential klassifiziert zu werden?

    Die Signaling-Theorie stützt sich natürlich grundsätzlich auf die Prämisse, dass tatsächliche Performance oftmals schwer gemessen oder quantifiziert werden kann, sowohl im Bewerbungsprozess als auch „on the job“. Gibt es bezüglich dieser Unsicherheit und folglich der Relevanz von „Signaling“ in der Akademik empirische Einschätzungen?

  2. Lieber Professor Lippold,

    Talente sind uns angeborene Gaben. Wenn wir diese leben, ausleben fühlen wir uns glücklich. Vielleicht mögen Sie die YouTube Videos oder Bücher von Eric Standop ansehen. Er erklärt das ganz plausibel und nennt Quellen.

    Wir können auch talentfrei sehr erfolgreich sein über Faktoren wie Ehrgeiz, der rührt in vielen Fällen aus nicht gestillten Bedürfnissen in der Kindheit. Bei Männern oft die fehlende Anerkennung vom Vater. Leider führt diese Motivation anders als bei angeborenen Motiven oft ins Burnout.

    Hat ein Mensch ein Talent, dann will das gelebt werden. Nicht zwingend beruflich, aber es will raus. Lassen wir es nicht raus, droht ggfs depressives Verhalten. Eine wichtige Energiequelle darf dann nicht sprudeln.

    Talent oder Ehrgeiz? Ehrgeiz verbraucht und gelebtes Talent schenkt Lebensfreude.

    Das ist sicherlich nicht wissenschaftlich erklärt, gibt meine Erfahrungen wieder. Findet sich in vielen neurowissenschaftlichen Erkenntnissen bestätigt.

    Beste Grüße

    • Liebe Frau Thiel,
      vielen Dank für Ihren Kommentar, der sich mit „Talenten als uns angeborene Gaben“ befasst. Mein Beitrag hat dagegen eine etwas andere Perspektive. Er grenzt das Talent nicht als Attribut, sondern als Persönlichkeit als Ganzes gegenüber High Potentials ab.
      Beste Grüße

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