Warum so viele Start-ups ausgerechnet am Marketing scheitern

Es ist hinlänglich bekannt, dass viele hoffnungsvolle Start-ups gerade bei der Markteinführung ins Stocken geraten. Der Grund ist häufig darin zu sehen, dass die Unternehmer ihr Produkt („Baby“) als Entwickler und nicht mit den Augen des potenziellen Kunden sehen. Hier zeigen die Start-ups, deren Wurzeln ja zumeist bei Techniker- und Tüftlernaturen (und manchmal sogar bei Berufseinsteigern) zu suchen sind, eine wesentliche strukturelle Schwäche. Die Verliebtheit in die eigene Produktentwicklung sollte einer professionellen Vermarktung weichen, d.h. die Schwerpunkte müssen sich von der Entwicklung zur Vermarktung verschieben.

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Zu Beginn der unternehmerischen Aktivitäten sieht alles ganz leicht aus: Scheinbar niedrige Markteintrittsschranken in neuen Marktsegmenten ermöglichen es nahezu jedem Entwickler oder Tüftler seine Idee auftragsunabhängig anzugehen. Doch dann kehrt meistens sehr schnell Ernüchterung ein. So werden die eigenen Möglichkeiten und Ressourcen bei Marketing und Vertrieb häufig überschätzt und der ursprünglich veranschlagte Kosten-und Zeitaufwand für die Markteinführung regelmäßig überschritten. Die bittere Erkenntnis: Die Vermarktungskosten, d.h. die Aufwendungen für Markteinführung und -erhaltung übertreffen die reinen Entwicklungskosten um ein Mehrfaches.

Damit sind Ursache und Wirkung beschrieben. Doch was kann man gegen diese Marketing-Misere tun? Nun, zunächst muss sich der Start-up-Unternehmer darüber im Klaren werden, was es überhaupt bedeutet, ein neues Produkt (oder eine neue Dienstleistung) profitabel zu vermarkten. Da helfen die sogenannten vier Ps des Marketing, also Product, Price, Promotion und Place, nicht wirklich weiter. Wichtig ist vielmehr folgende Überlegung:

Der Entwickler erstellt ein Produkt, von dem er überzeugt ist, dass es über fachliche und/oder technische Wettbewerbsvorteile verfügt (sonst hätte er es ja nicht entwickelt!). Entscheidend ist aber, dass dieser Wettbewerbsvorteil auch vom Markt wahrgenommen wird. Erst die Akzeptanz im Markt sichert den nachhaltigen Gewinn. Genau diese Lücke zwischen dem technischen Wettbewerbsvorteil und den vom Markt honorierten Wettbewerbsvorteil gilt es zu schließen. Damit sind auch gleichzeitig die beiden Pole aufgezeigt, zwischen denen der Vermarktungsprozess einzuordnen ist. Und genau diese Lücke gilt es mit sechs Schritten zu schließen!

Im ersten Schritt (1. Aktionsfeld) geht es um die Segmentierung des Zielmarktes, also um die Auswahl attraktiver Marktsegmente. Damit macht man sich die Zielgruppen, die angesprochen werden sollen, bekannt und ist in der Lage, wirklichen Kundennutzen zu kommunizieren.

Da das Start-up-Unternehmen im ausgewählten Zielmarkt nicht alleine ist, sondern sich mit diversen Wettbewerbern auseinandersetzen muss, geht es im nächsten Schritt (2. Aktionsfeld) um die Positionierung, d.h. um die Frage, wie man sich vom Wettbewerb abheben kann. Erst wenn man seine Produkte und Leistungen differenzieren kann (USP), ist man in der Lage, einen Kundenvorteil zu argumentieren. Der Kundenvorteil ist somit der Vorteil, den der Kunde davon hat, dass er meine Produkte und nicht die des Wettbewerbs bevorzugt.

Die Positionierung gibt gleichzeitig vor, was im Markt zu kommunizieren ist. Damit sind wir beim nächsten Schritt (3. Aktionsfeld): Die Kommunikation, die in der systematischen Bewusstmachung des Kundenvorteils besteht. Die Kommunikation mit all seinen Möglichkeiten (besonders auch im Internet) führt zum Aufbau eines umfassenden Meinungsbildungsprozesses mit dem Ziel, die Kunden von den Vorteilen des Produkts zu überzeugen.

Im vierten Schritt (4. Aktionsfeld) geht es um die Distribution. Sie umfasst im Wesentlichen die Festlegung der Distributionsformen (direkter/indirekter Vertrieb), der Distributionskanäle (Einkanal/ Mehrkanal) und der Distributionsorgane (intern/extern). Die Distribution zielt somit auf die Optimierung der Kundennähe.

Zielsetzung der (persönlichen) Akquisition, dem vorletzten Schritt (5. Aktionsfeld) des Vermarktungsprozesses, ist es, die vorhandenen Kundenkontakte zu qualifizieren und in Aufträge umzumünzen. Insbesondere bei erklärungsbedürftigen Produkten zählt der persönliche Verkauf, der auf die Optimierung der Kundenakzeptanz zielt, zu den wirksamsten, aber zugleich auch teuersten Schritten des Vermarktungsprozesses.

Im letzten Schritt (6. Aktionsfeld) steht die Betreuung der Kunden im Mittelpunkt. Die Betreuung unterscheidet sich insofern von den anderen fünf Schritten, weil sie erst nach dem Kauf bzw. Auftragsvergabe zur Wirkung gelangt. Diesem Schritt, der auf die Optimierung der Kundenzufriedenheit abzielt, kommt in zweifacher Hinsicht eine besondere Bedeutung zu: Zum einen ist die vorhandene Kundenbasis für das Folgegeschäft am leichtesten zu erreichen, zum anderen ist ein gut betreuter Kunde auch immer eine Referenz für das Neugeschäft.

Mit diesen sechs Schritten, die zugleich auch die Grundlage der sogenannten Marketing-Gleichung bilden,  erhält der Start-up-Unternehmer zugleich auch die Gliederungspunkte einer Art „Vermarktungsfibel“. Also ein Marketing- und Vertriebshandbuch, das allen Mitarbeitern hilft, im Dschungel des Vermarktungsprozesses den Überblick zu bewahren und lediglich die effektiven, also die wirklich zielführenden Maßnahmen zu ergreifen. Gleichzeitig zeigt es aber auch den Verantwortlichen im Unternehmen, was es bedeutet (und was es kostet), ein Produkt profitabel zu vermarkten.

Es ist schon grotesk: Das Marketing, das den Vermarktungsprozess eines Produktes zielgruppengerecht bewerkstelligen soll, ist häufig der eigentliche Stolperstein für Start-ups. Das liegt allerdings daran, dass mit der sklavischen Anwendung der statischen vier Ps oftmals ein unzureichendes Marketingverständnis vorliegt. Wird dagegen der dynamische Ansatz der Marketing-Gleichung verfolgt, dürfte der erfolgreichen Vermarktung von Start-up-Produkten nichts mehr im Wege stehen.

(Weitere Informationen zur erfolgreichen Vermarktung finden Sie in „Die Marketing-Gleichung. Einführung in das prozess- und wertorientierte Marketingmanagement“, 2. Aufl., De Gruyter Oldenbourg, Berlin/Boston 2015 )

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