Die überforderte Führungsriege: Wenn Digitale Transformation auf Unternehmensführung trifft

Unsere Unternehmensführer sind mit der Digitalen Transformation überfordert. Zumindest ist dies der Eindruck einer Vielzahl von betroffenen Mitarbeitern, die zusehen müssen, wie ihre Vorgesetzten in die Auswirkungen der neuen Technologien stolpern. Die Überforderung hat aber sehr häufig gar nichts mit der Digitalisierung an sich zu tun. Vielmehr sind es die Wechselbeziehungen zwischen Technologie und Arbeitskultur, denn Technologie wirkt in Kultur hinein und Kultur wirkt auch ihrerseits in die Entwicklung und den Einsatz von Technologien.

Welchen Beitrag leistet die Unternehmenskultur bei der Begegnung mit den Werten der neuen Technologien? Welcher Zusammenhang besteht zwischen Unternehmenskultur und digitaler Führung? Bevor diese Fragen erörtert werden, soll aufgezeigt werden, was Unternehmenskultur ist und was sie in diesem Zusammenhang bewirken kann.

Jedes Unternehmen verfügt über eine Unternehmenskultur. Diese wird nicht einfach erfunden oder verordnet, sondern (vor)gelebt. Sie entsteht mit der Unternehmensgründung und ist je nach Entwicklungsgeschichte des Unternehmens mehr oder weniger ausdifferenziert. Häufig liegen die Ursprünge einer Unternehmenskultur beim Unternehmensgründer wie z. B. Thomas Watson bei IBM, Steve Jobs bei Apple, August Oetker, Max Grundig, die mit ihren Visionen und Ideen, mit ihren Wertvorstellungen, Eigenarten und Neigungen als Vorbilder für nachfolgende Managergenerationen dienen. Oftmals waren es auch gerade diese Unternehmensführer, die für eine neue Technologie standen und diese mit ins Unternehmen brachten oder gar die neuen Entwicklungen zum Zentrum ihres Geschäftsmodells machten.

Wo finden wir denn heute noch solche Techniker und Tüftler, die neue Technologien zu ihrem Geschäft machen? Richtig, bei unseren Start-ups! Also bei Inhaber-geführten Unternehmen. Die allermeisten größeren Unternehmen werden jedoch von eingesetzten und gut bezahlten Managern der Generation X (Geburtsjahrgänge 1965 bis 1980) geführt, die eben nicht der digital geprägten Generation Y (Geburtsjahrgänge 1980 bis 1995) angehören. Und es kommt noch schlimmer für unsere Manager der Generation X:

Denn schon drängt die nächste Generation, die Generation Z (Geburtsjahrgänge ab 1995), in die Unternehmen. Oft werden beide Generationen, Y und Z, zusammen gerne als Digital Natives“ angesprochen und beiden der gleiche information-age-Mindset zugeschrieben. Im Gegensatz zu der schon digital geprägten Generation Y wächst die nachfolgende Generation Z allerdings schon seit ihrer Geburt als „Digital Natives“ auf. Dieser Lern- und Lebensmodus ist an die sogenannte VUCA-Welt (V = Volatility, U = Uncertainty, C = Complexity, A = Ambiguity) bereits angepasst.

Für traditionelle Führungskräfte und Unternehmen sind die „Digital Natives“ somit eine immer größere Herausforderung. Die Bindung bei ihnen besteht nicht mehr zum Unternehmen, sondern zu interessanten Projekten und zu mitreißenden Führungspersönlichkeiten. Digitale Transformation beschränkt sich nicht auf Technologien, sondern auf kulturelle Gestaltungs- und hybride Arbeitsräume, auf digitale Kulturen und Werte. Klassische Anreizsysteme, wie etwa Firmenwagen und Statussymbole verlieren an Wert.

Digitalisierung verspricht Unternehmen Effizienz, Weiterentwicklung und Wettbewerbsvorteile in angestammten und in neuen Märkten. Dazu muss in den Betrieben die gesamte Wertschöpfungskette überarbeitet werden. Das beginnt bei der Beobachtung des Marktes und der Ermittlung der Kundenbedürfnisse. Das Erfassen von Kundendaten bildet die Grundlage für ein personalisiertes Marketing. Die Kommunikation mit potentiellen Käufern muss sehr früh beginnen. Dazu müssen digitale Informationen gesammelt, verarbeitet und in marktfähige Angebote übertragen werden. Hier ist eine Unternehmensführung gefragt, die diesen Prozess versteht und ihn anstoßen, steuern und überwachen muss.

Die digitale Transformation ist also ein Leadership- und ein Kultur-Thema. Es geht nicht mehr darum, digital zu werden – wir sind es bereits. In der Arbeitskultur kommen aber nicht nur die Generationen Y und Z, sondern auch die Baby Boomer (Geburtsjahrgänge 1945 bis 1965) und die Generation X zusammen. Die Frage ist also vielmehr, wie es gelingen kann, eine generationenübergreifende, besser: generationenverbindende Kommunikations- bzw. Unternehmenskultur zu leben. Denn im Bereich der Arbeitskultur kommt es regelmäßig entweder zu den größten Abstoßungen oder zu den größten Adoptionen gegenüber einer neuen Technologie. Die unterschiedlichen mentalen Modelle und Wertvorstellungen der jeweiligen Generationen zu ignorieren und mit Kündigungen zu reagieren, kann angesichts der demografischen Entwicklung nicht funktionieren und ist keine Lösung. Nur eine generationengerechte Unternehmensführung wird zum wettbewerbsbestimmenden Erfolgsfaktor für die Zukunft.

Um generationengerecht und generationenverbindend zu führen und zu agieren, schlagen Ciesielski/Schutz drei Wege vor:

  • Bei der Führungskräfteentwicklung sollte das falsche Konstrukt des Talentmanagement durch individuelle Talententfaltungsformate ersetzt werden. Es kommt darauf an, individuelle Führungspersönlichkeiten zu entwickeln und nicht standardisierte Führungsklone als Vorgesetzte vom Fließband zu produzieren.
  • Die Generation Z arbeitet auf hohem Aktivitätsniveau gerne, aber mit reduzierter Verant­wortung, da sie von Kindheit an durch ihre Helikopter-Eltern und in ihrer Umwelt gelernt haben, die Verantwortung stets bei anderen zu sehen. Für die Unternehmen und ihre Führungskräfte bedeutet dies, dass der Generation Z Verantwortung in kleinen Schritten und behutsam anerzogen werden muss. Führungskräfte werden damit im Sinne eines konstruktiven Lernbegleiters gefordert werden.
  • Es gilt nicht länger uneingeschränkt der schlichte Satz Die Jungen lernen von den Älteren“. Führungskunst ist es jetzt, die Kompetenzen der einzelnen Generationen im Alltag so zu erfassen und zu kombinieren, dass sie auch im Ganzen zur Entfaltung kommen können. Hierbei können völlig neue Rollenbilder entstehen und zusammenwirken.

Weiterführende Literatur:

Ciesielski/Schutz: Digitale Führung. Wie die neuen Technologien unsere Zusammenarbeit wertvoller machen, Wiesbaden 2016.

Lippold: Die Personalmarketing-Gleichung. Einführung in das wert- und prozessorientierte Personalmanagement, 2. Aufl., München 2014.

 

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