Kaum ein Bereich wird heutzutage stärker vom Veränderungstempo herausgefordert als die Personalabteilung. Kaum ein Managementbereich hat aber auch so viele Verbesserungspotenziale wie das Personalmanagement. Geht man einmal die beiden HR-Wertschöpfungsketten ‚Personalbeschaffung‘ und ‚Personalbetreuung‘ mit ihren Prozessschritten von der Personalsuche bis zur Personalfreisetzung durch, so ist damit die Reihenfolge meiner 10 Empfehlungen für eine effektivere Personalarbeit gegeben. Heute sind die zweiten fünf Empfehlungen an der Reihe.
Sechste Empfehlung: Investieren Sie in ein „gerechteres“ Gehaltssystem!
Das Gehaltssystem ist der größte Hygienefaktor eines Unternehmens. Wenn es von den Mitarbeitern nicht als gerecht empfunden, hat das Management ein Problem, das ihm mindestens einmal im Jahr auf die Füße fällt. Die „faire Vergütung im Vergleich zu Kollegen“ zählt zu den Top-Treibern der Mitarbeiterbindung (engl. Retention) und ist zweifellos der entscheidende Erfolgsfaktor aller Anreiz- und Vergütungssysteme. Doch was heißt „fair“, was bedeutet „gerecht“? Absolute Gerechtigkeit wird es nicht geben, aber wenn das Gehaltssystem mindestens drei sogenannte Gerechtigkeitsprinzipien enthält, dann ist schon sehr viel gewonnen. Diese drei Kernprinzipien der Entgeltgerechtigkeit sind es, die für die Zusammensetzung der Gehaltsstruktur maßgeblich sind:
- Anforderungsgerechtigkeit (im Hinblick auf Qualität, Schwierigkeitsgrad oder Verantwortungsbereich des Jobs bzw. der jeweiligen Position, d.h. der Geschäftsführer sollte mehr verdienen als die Empfangsdame)
- Marktgerechtigkeit (im Hinblick auf die Vergütungsstruktur der Branche bzw. des Wettbewerbs)
- Leistungsgerechtigkeit (im Hinblick auf die Leistung des Mitarbeiters/der Führungskraft einerseits und des Unternehmens andererseits).
Allerdings fallen diese Entgeltgerechtigkeitsprinzipien nicht vom Himmel. Sie müssen für jedes Unternehmen individuell definiert und in die jeweiligen – sofern vorhanden – Karrierestufen-Modelle (engl. Grades), in das Gehaltsbandbreitensystem sowie in die variablen Vergütungskomponenten eingebracht werden. Hier lohnt es sich, in ein modernes „Compensation & Benefit-System“ zu investieren. Der RoI wird Sie überraschen!
Siebte Empfehlung: Schicken Sie Ihr Management auf die Schulbank, denn Manager ohne digitales Know-how helfen dem Unternehmen nicht weiter!
Wenn die digitale Transformation immer wichtiger und das Veränderungstempo immer schneller wir, müssen auch die Vorstände und Geschäftsführer stets auf dem Laufenden bleiben, um Auswirkungen auf ihr Unternehmen und ihr Geschäftsmodell frühzeitig zu erkennen. Digitalisierung verspricht Unternehmen Effizienz, Weiterentwicklung und Wettbewerbsvorteile in angestammten und in neuen Märkten. Dazu muss in den Betrieben die gesamte Wertschöpfungskette überarbeitet werden. Das beginnt bei der Beobachtung des Marktes und der Ermittlung der Kundenbedürfnisse. Das Erfassen von Kundendaten bildet die Grundlage für ein personalisiertes Marketing. Die Kommunikation mit potentiellen Käufern muss sehr früh beginnen. Eine Webseite mit der Darstellung des Unternehmens ist heute nicht mehr ausreichend. Digitale Informationen müssen gesammelt, verarbeitet und in marktfähige Angebote übertragen werden. Hier ist eine Unternehmensführung gefragt, die diesen Prozess versteht und ihn anstoßen, steuern und überwachen muss. Mit anderen Worten: Digitale Transformation wird ohne die richtige Unternehmensführung nicht funktionieren. Manager ohne digitales Know-how sind out.
Achte Empfehlung: Schaffen Sie ein Talentpool mit einer speziellen Wissens- und Fähigkeitsausrichtung, um damit besser auf bestimmte Innovationen vorbereitet zu sein!
Nicht nur die Integration neuer Mitarbeiter (Onboarding), sondern auch das Halten und Bindender vorhandenen Talente gehört zu den vorzüglichsten Aufgaben des Personalmanagements. Orientieren Sie diese potenziellen Führungsnachwuchskräfte an folgenden drei Kriterien:
- Vielfalt statt Konformität: Gefragt sind keine „abgerundeten“ Persönlichkeiten, die keine Schwächen (aber eben auch keine Stärken) haben. Bevorzugen Sie Kandidaten mit Ecken und Kanten, die eine ausgeprägte Stärke für Führungsaufgaben haben und an deren Ecken und Kanten auch einmal wirksame Vorschläge hängen bleiben.
- Performance statt Potenzial: Potenziale sind zunächst immer nur vage Hoffnungen auf Leistungen, die der Aspirant später einmal erbringen könnte – oder auch nicht. Konzentrieren Sie sich besser auf solche Führungsnachwuchskräfte, die Leistungen gezeigt haben und Ergebnisse gezeigt haben. Das sind zumeist solche Kandidaten, die in Ihrem Lebenslauf Ergebnisse und nicht Positionen angegeben haben.
- Einstellungen statt Fachwissen: Fragen Sie nicht nach den fachlichen Fähigkeiten. Wichtiger als Fachkenntnisse sind für eine potenzielle Führungskraft dessen Sensibilitäten, Werte, Verhaltensmuster, Prägungen und die innere Einstellung zur Selbstverantwortung. Hierdurch entscheidet sich, ob die Führungskraft einen substanziellen Beitrag zur Weiterentwicklung des Unternehmens liefern wird oder nicht.
Neunte Empfehlung: Nehmen Sie weibliche Führungsnachwuchskräfte rechtzeitig mit ins Führungsboot!
Es ist eine Tatsache, dass Frauen aus familiären Gründen häufiger Abstriche in Bezug auf den eigenen Beruf und die eigene Karriere machen als Männer. Aber besonders die High Potentials unter den weiblichen Arbeitnehmern werden immer wichtiger und damit begehrter für alle Unternehmen. Um Frauen an das Unternehmen zu binden und besser zu integrieren, sollten Sie neben einer familienfreundlichen Gestaltung der Arbeitszeiten gezielt auf die Förderung der Karriere von weiblichen Arbeitnehmern achten.
Besonders interessant ist die Erfahrung, dass Personalentwicklungsmaßnahmen, die gezielt auf Frauen und ihre vielfältigen Lebensmuster zugeschnitten sind, sich in aller Regel auch optimal für Männer erweisen. Das Personalentwicklungsmanagement darf und soll sich sogar an den Frauen orientieren, wenn sie für beide Geschlechter Gültigkeit haben sollen. Überhaupt kann durch geschlechtergemischte Fortbildungen die Zusammenarbeit von Frauen und Männern gefördert werden. Weibliche und männliche Teilnehmer können so voneinander lernen. Die Unterschiede in den Verhaltens- und Denkweisen können während einer solchen Maßnahme thematisiert und einander näher gebracht werden.
Es geht aber nicht nur darum, auf welche Personalentwicklungsmaßnahmen Frauen am besten ansprechen. Vielmehr sollten die Rahmenbedingungen so angepasst werden, dass mehr Frauen die Teilnahme an solchen Maßnahmen ermöglicht wird. So werden Weiterbildungen häufig nicht für Teilzeitstellen angeboten, obwohl gerade diese vielfach von Frauen besetzt sind. Fortbildungen, die weit entfernt vom Arbeitsplatz oder Wohnort durchgeführt werden oder gar eine Übernachtung erfordern, sind zumeist Ausschlusskriterien für berufstätige Mütter. Unternehmen, die hier die richtigen Rahmenbedingungen nachhaltig vorweisen können, werden künftig über einen der wichtigsten Erfolgsfaktoren für das Personalmanagement verfügen.
Zehnte Empfehlung: Das Entlassungsgespräch ist nicht an das Personalmanagement delegierbar!
Führungsaufgaben und deren zeitliche Abfolge sind kein Wunschkonzert. In Zeiten kaum mehr überschaubarer Technologien und ständiger Veränderungen kommt das Management von Konflikt- und Krisensituationen immer häufiger auf die Tagesordnung des gemeinen Managers. Ein solches Konflikt- und Krisenmanagement erfordert hohe Belastungsfähigkeit, Sensibilität, soziale Kompetenz und eine hoch entwickelte Dialogfähigkeit. Leider alles „Zutaten“, die dem klassischen Laufbahnmanager, der sich wahrscheinlich durch hohe fachliche Kompetenz als Führungspersonal empfohlen hat, allzu häufig fremd sind. Schlimmer noch: Wenn Vorgesetzte gezwungen sind, Entlassungen vorzunehmen, dann verkriechen sie sich hinter dem Schreibtisch und überlassen die „Drecksarbeit“ der Personalabteilung.
In der Tat zählt die Entlassung von Mitarbeitern – aus welchem Grunde auch immer – zu den schlimmsten Aufgaben, die ein Personalverantwortlicher wahrnehmen muss. Doch: Entlassungen gehören zum Führungsgeschäft dazu – genauso wie Einstellungen. Die Frage ist allerdings, wie diese Aufgabe anzugehen ist. Wer seine Führungsfunktion ernst nimmt und sich und vor allem dem Image des Unternehmens nicht schaden will, muss sich persönlich mit den Betroffenen einlassen – so schwer es einem auch fällt, denn Entlassungsgespräche gehen unter die Haut. Im Rahmen von Entlassungen erleiden beide Seiten, also sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber in aller Regel materielle und ideelle Schäden. So geht mit der Entlassung eines Mitarbeiters wertvolles Know-how verloren, welches bei einem Wiederanstieg des Personalbedarfs durch aufwendige Beschaffungs- und Entwicklungsmaßnahmen neu erworben werden muss. Auch kann ein unfair geführter Freistellungsprozess zu einer nicht unbeachtlichen Rufschädigung für den Arbeitgeber führen.
Wie gesagt, allzu viele Vorgesetzte sind der Meinung, Entlassungen seien Aufgabe der Personalabteilung, die ja ohnehin „nicht gerade zum Geldverdienen beiträgt“. Doch das ist ein Irrtum! Die Führungskraft – und niemand sonst – muss hier Flagge zeigen und Verantwortung übernehmen. Es ist ihre vornehmste Aufgabe. Sie muss das Entlassungsgespräch fair, aufrichtig und ohne geliehene Autorität mit der Intensität führen, dass ihr Gegenüber das Gesicht nicht verliert. Nur dann kann sich – im Idealfall – eine Art „Erleichterung“ ergeben, die keine ironische Attitüde, sondern im beidseitigem Interesse die Zielsetzung eines seriösen Freistellungsprozesses sein sollte. Diese Führungsaufgabe ist nicht delegierbar!
Mehr dazu mit Beispielen und Grafiken in „Die Personalmarketing-Gleichung. Einführung in das wert- und prozessorientierte Personalmanagement“, 2. Aufl., De Gruyter Oldenbourg und in „Die Unternehmensberatung. Von der strategischen Konzeption zur praktischen Umsetzung“, 2. Aufl., Springer Gabler.
Hier noch der Link zu den ersten fünf Empfehlungen:
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