Corona-Warn-App: Millionen Menschen im Stich gelassen

Bereits kurze Zeit nach ihrer Einführung wird die Corona-Warn-App allerorten als großer Erfolg gefeiert. Abseits einiger weniger Kommentare, die Frau Merkel, die Bundesregierung, die App und Bill Gates in Grund und Boden verteufeln, sammelt die Corona-Warn-App reihenweise 5-Sterne-Bewertungen in den App-Stores. So erreicht die App bereits eine Woche nach Einführung überragende 4,8 Sterne im Apple App-Store bei über 30.000 abgegebenen Stimmen (Chip.de). Funktionalität, Datenschutz und alle anderen Kriterien überzeugen den App-erprobten User. Also hat die Bundesregierung trotz (oder dank verspäteter) Auslieferung alles richtig gemacht? Denkste.

Millionen iPhone-Besitzer traf der Schlag

Eine große Zahl von iPhone-Besitzern – von sechs Millionen Menschen ist die Rede – traf letzte Woche der Schlag, als Sie vergeblich versuchten, die App auf ihrem Gerät zu installieren. Warum das Entsetzen? Ganz einfach, weil sie ein iPhone besitzen, das älter als fünf (!) Jahre ist. Genauer: Alle User eines iPhone 6, 5S, 5 oder älter können die Corona-Warn-App nicht benutzen. Die allgemeine Euphorie gilt also nur für Mitmenschen, die spätestens nach fünf Jahren ihr iPhone ersetzen und jetzt mindestens über die Version iOS 13.5 verfügen.

Warum funktionstüchtige Hardware entsorgen

Sicher, fünf Jahre mögen eine Ewigkeit im Zeitalter der Digitalisierung sein. Wenn aber das iPhone 6 noch wunderbar läuft, alle Befehle wunschgemäß ausführt und auch sonst nie Schwierigkeiten gemacht hat (bis auf die immer langsamere Batterieaufladung), dann kann man nicht verstehen, warum man sich ein neues iPhone kaufen soll. Das ist weder sinnvoll noch nachhaltig. Ich muss doch nicht die Hardware entsorgen, wenn eine neue Software installiert wird. Schon die IBM hat in den frühen 1970er Jahren das Unbundling, also die Trennung von Hard- und Software eingeführt. Und jetzt wird das Rad wieder zurückgedreht?

Nachhaltigkeit mit Füßen getreten

Vielleicht mag der Vergleich hinken, aber man kommt sich vor, wie der stolze Besitzer eines SUV, der ein Jahr später einen Wohnwagenanhänger kauft hat und dafür eine Anhängerkupplung nachrüsten möchte. Der Händler des Premium-Autohauses macht dem SUV-Besitzer aber klar, dass er einen neuen SUV kaufen oder leasen muss, da sich beim (alten) SUV keine Anhängerkupplung nachrüsten lässt. Und das im Zeitalter der Nachhaltigkeit!

Produktvergreisung beim iPhone 6

Die Politik des weltweit größten Unternehmens nennt man „Planned obsolescence“. Der geplante Verschleiß oder (noch besser) die geplante „Produktvergreisung“ beim erfolgreichsten Produkt aller Zeiten, wird hier ausgerechnet auf dem Rücken einer Zielgruppe ausgetragen, die ein existenzielles Interesse an der Corona-Warn-App hat. Hat Apple das nötig? Und noch schlimmer: Warum hat die Bundesregierung nicht sichergestellt, dass Digitalisierung und Nachhaltigkeit sich nicht gegenseitig ausschließen?

Millionen Menschen werden ausgeschlossen

Kernaufgabe der Corona-Warn-App ist doch, dass Bürgerinnen und Bürger, die Kontakt mit einem Corona-Infizierten hatten, schnellstmöglich über diesen Kontakt informiert werden. Hierdurch wird eine zeitnahe Isolation der Betroffenen ermöglicht und Infektionsketten werden unterbrochen. Und hierbei werden sechs Millionen Menschen zu Gunsten einer von Apple geplanten Produktvergreisung einfach ausgeschlossen. Wenn man bedenkt, dass die Corona-Warn-App vom Mitmachen möglichst vieler lebt, dann ist das ein Desaster!

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