Im klassischen Absatzmarketing gibt es sie schon lange: die Marketing-Gleichung. Sie stellt den Kunden und seine Bedürfnisse in den Mittelpunkt. In sechs Schritten zeigt sie auf, wie der Wettbewerbsvorteil eines Produktes oder einer Dienstleistung vom Kunden wahrgenommen und – das ist das Entscheidende – honoriert wird. Doch warum setzt man dieses erfolgreiche Marketing-Konzept nicht auch für die persönlichen Belange ein? Zum Beispiel für den Berufseinstieg? Für das Bewerbungsgespräch? Für den Arbeitgeberwechsel? Oder für das Gehaltsgespräch?
Dabei sind es nur sechs Schritte. Sechs Schritte, die Ihren persönlichen Wettbewerbsvorteil, den nur Sie kennen, von einem Wettbewerbsvorteil trennt, den auch Ihr (potenzieller) Arbeitgeber wahrnimmt und honoriert. Diese sechs Schritte sollten Sie tun:
- Segmentieren Sie Ihre Fähigkeiten (Neigung, Eignung, Berufung)
- Positionieren Sie Ihre Fähigkeiten (Stärken, Schwächen)
- Kommunizieren Sie Ihre Fähigkeiten (Online, Print, Social Media)
- Distribuieren (verteilen) Sie Ihre Fähigkeiten (Beziehungen, Netzwerke)
- Akquirieren Sie Ihre Fähigkeiten (Bewerbungsgespräch, Einstellungskriterien)
- Integrieren Sie Ihre Fähigkeiten (Arbeitsvertrag, Laufbahnplanung).
In dieser Folge wollen wir uns mit den beiden ersten Schritten befassen – mit der Segmentierung und Positionierung Ihrer Fähigkeiten und Kompetenzen. Mit diesen beiden Schritten schaffen Sie für sich selber Transparenz. Sie sollten sich fragen: Was will ich eigentlich genau? Wo will ich in fünf Jahren sein? Was will ich in zehn Jahren machen? Was steht mir dazu im Wege? Will ich weiter angestellt bleiben oder will ich den Weg in die Selbständigkeit gehen? Segmentierung und Positionierung sind gewissermaßen die beiden strategischen Schritte Ihrer Laufbahnplanung. Sie bilden die Grundlage, das Fundament für alle weiteren Karriere-Überlegungen.
Segmentieren Sie Ihre Fähigkeiten und Kompetenzen
Beginnen Sie mit dem Segmentieren Ihrer Fähigkeiten. „Segmentierung“ klingt zweifellos ein wenig hochtrabend, trifft es aber im Kern. Denn Sie wollen ja nicht alle Ihre Fähigkeiten kommunizieren, sondern nur jene, von denen Sie sich auch einen Wettbewerbsvorteil (zum Beispiel gegenüber anderen Bewerbern) versprechen. Sie wollen auch nur jene Kompetenzen anbieten oder ggf. ausbauen, die für den (potenziellen) Arbeitgeber interessant sind.
Was ist meine Eignung? Was kann ich besonders gut? Was beherrsche ich besser als andere? Hier fängt häufig aber bereits das Dilemma an: Viele Abiturienten wählen ein (Allerwelts-) Studium wie zum Beispiel BWL, weil sie – ihrer Meinung nach – eben nicht über eine ausgeprägte Eignung verfügen. In diesem – leider sehr häufigen Fall – kann aber eine Eignungsdiagnostik helfen. Viele Personalberater, die leider zumeist nur für personalsuchende Unternehmen und weniger für Jobsuchende unterwegs sind, verfügen auf diesem Gebiet über Kernkompetenzen. Lassen Sie sich beraten und vereinbaren Sie ein Bezahlmodell, dass erst viel später oder ggf. erst im Erfolgsfall greift.
Und mindestens genauso wichtig: Was ist meine Neigung? Was mache ich besonders gerne? Denn was man gerne macht, macht man auch besonders gut. Und vielleicht sogar, was ist meine (eigentliche) Berufung? Habe ich vielleicht eine Mission? Vision und Mission sind für nachhaltig erfolgreiche Unternehmen (und Menschen?) eine Grundvoraussetzung.
Weitere Fragen, die insbesondere für Hochschulabsolventen und Berufsanfänger von entscheidender Bedeutung sein können, sind: In welcher Branche, in welchem Funktionsbereich will ich tätig werden? Hat die Branche oder der Funktionsbereich ein höheres Gewicht bei der Berufswahl? Wie wichtig ist die Abschlusszensur? Welche Rolle spielen Sprachkenntnisse? Welche Rolle spielen Praktika? Wie wichtig sind Auslandsaufenthalte?
Auf all diese Fragen sollten Sie sich eine ehrliche Antwort geben. Vielleicht steht auch Ihr Partner bzw. Ihre Partnerin zum Sparring für die eine oder andere Frage zur Verfügung.
Positionieren Sie Ihre Fähigkeiten und Kompetenzen
Der zweite Schritt ist besonders wichtig: Sie müssen Ihre Fähigkeiten richtig positionieren. Im klassischen Absatzmarketing ist dies die Königdisziplin. Schließlich geht es ja nicht nur um Ihre Fähigkeiten an sich, sondern um jene Merkmale, die Sie von anderen Bewerbern abheben, differenzieren sollen.
Was sind meine Stärken? Was sind meine Schwächen? Gibt es bestimmte Merkmale, Eigenschaften, Erfahrungen, Sprachkenntnisse etc., die andere nicht oder nicht in einer bestimmten Kombination haben? Habe ich einen gewissen Alleinstellungsanspruch? Unternehmen sprechen hier vom USP (Unique Selling Proposition). Gibt es aber auch Fähigkeiten, über die ich nicht verfüge, die jedoch für meine berufliche Entwicklung unabdingbar sind? Hier sollte man nicht untätig sein. Sind es beispielsweise fehlende Sprachkenntnisse oder Defizite im MINT-Bereich, so werfen Sie die Flinte nicht ins Korn. Es gibt immer Möglichkeiten, hier wieder auf die Überholspur zu kommen. Mangelnde Englischkenntnisse werden Sie Ihr Leben lang einholen.
Berufseinsteiger sollten sich insbesondere darüber Gedanken machen, welche Arbeitgeber, welche Branchen für die Erstanstellung in Frage kommen, wenn ein sehr gutes Abschlusszeugnis vorliegt. Hier bieten sich vornehmlich namhafte Unternehmensberatungen oder die Führungsnachwuchsabteilungen von DAX-Konzernen an. Umgekehrt ist aber auch die Überlegung relevant, welche Arbeitgeber bzw. welche Stellen nicht in Frage kommen, weil die Noten nicht so besonders gut waren – warum auch immer. Leider nimmt die Zeugnisnote (Abitur, Examen) bei den allermeisten Recruiting-Abteilungen immer noch einen sehr hohen Stellenwert an. Die Recruiter interessiert es häufig überhaupt nicht, ob vielleicht ein selbstfinanziertes Studium oder ein Engagement als Schul- oder Studierendensprecher zu einer etwas schlechteren Durchschnittsnote, aber auch zur Entwicklung der individuellen Persönlichkeit beigetragen haben. Wichtig ist leider nur, ob eine „Eins vor dem Komma“ steht oder nicht.
Schließlich sollten Sie für sich auch noch die Frage beantworten, ob Sie (auf Dauer) angestellt oder selbständig sein wollen. Diese Frage ist keinesfalls trivial. Angestellt sein bedeutet letztendlich immer, dass Sie von einer (oder sehr wenigen) Personen abhängig sind. Als Selbständige haben Sie deutlich mehr Freiheitsgrade, allerdings fehlt es dann sehr häufig an einer tragfähigen Geschäftsidee oder an dem finanziellen Background zur Umsetzung der Idee.
Generelles Ziel der (persönlichen) Positionierung ist es, basierend auf den eigenen Stärken und Fähigkeiten, eine Strategie zu entwickeln, sich in beruflich entscheidenden Situationen (Bewerbung, Präsentation, Personalgespräch etc.) von anderen (ggf. Mitbewerbern) positiv abzuheben.
Wenn Sie die Fragen dieser ersten beiden Schritte ehrlich beantwortet haben, verfügen Sie über ein strukturiertes Fundament, um die nächsten beiden Schritte, nämlich Kommunikation und Distribution im Rahmen der persönlichen Marketing-Gleichung anzugehen. Mehr darüber im 2. Teil.
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