Warum der Arbeitsmarkt für Hochschulabsolventen so absurd ist

Der Arbeitsplatzmarkt für akademische Nachwuchskräfte kann in weiten Bereichen als absurd bezeichnet werden. Absurd deshalb, weil er einerseits die Grundzüge eines Verkäufermarktes und andererseits die Charakteristika eines Käufermarktes trägt. Einerseits können sich Unternehmen fast uneingeschränkt bedienen, wenn es um die Rekrutierung von durchschnittlich begabten Hochschulabsolventen vorwiegend im wirtschaftswissenschaftlichen Bereich geht. Andererseits handelt es sich aus Sicht des Arbeitsplatzanbieters um einen klassischen Käufermarkt, wenn es darum geht, besonders leistungsbereite Nachwuchskräfte mit hohem Potenzial – eben High Potentials – zu gewinnen. Da solche besonders qualifizierten Bewerber zumeist die Wahl zwischen den Angeboten mehrerer Unternehmen haben, können sie auch besonders selbstbewusst bei ihrer Arbeitsplatzwahl auftreten. Somit stehen sich auf dem Arbeitsmarkt für High Potentials zwei Partner „auf Augenhöhe“ gegenüber.

Wie sollen sich die personalsuchenden Firmen in solch einer Situation „auf Augenhöhe“ verhalten? Es gibt grundsätzlich zwei Möglichkeiten, die – wenn sie richtig „gehandelt“ werden – jeweils ihre Vorzüge haben:

(1) Die Unternehmen machen das „Spielchen“ mit und bewerben sich um die Besten, weil sie davon überzeugt sind, dass sie nur mit den allerbesten Kandidaten ihre Ziele erreichen können und zudem auch nur die Rekrutierung von High Potentials zu ihrem Image passt.

(2) Die Unternehmen machen das Rennen um die Besten ganz einfach nicht mit. Stattdessen konzentrieren sie sich auf die (vermeintlich) Zweitbesten, also auf diejenigen Hochschulabsolventen, die nicht zwingend Jahrgangsbeste sind und die nicht mit Zeugnissen aus dem „Jenseits“  aufwarten können.

Das Buch zum Beitrag

Schauen wir uns die erste Option einmal näher an: Die große Gefahr dabei ist, dass sich die Unternehmen im Wettbewerb um die Besten mit horrenden Einstiegsgehältern und sonstigen „Goodies“ gegenseitig überbieten. Bereits heute liegen die Einstiegsgehälter in bestimmten Branchen im Bereich der Entlohnung von gestandenen Hochschulprofessoren. Um hier erfolgreich zu bestehen, d.h. ohne auf dem Gehaltssektor erpressbar zu werden und die Gehaltsinflation nicht noch weiter anzuheizen, sind Unternehmen zum Umdenken gezwungen und dazu veranlasst, ihre Personalauswahlprozesse neuzugestalten und auszuweiten. Als praxiserprobtes Vorgehensmodell und Handlungsrahmen kann dazu die Personalmarketing-Gleichung (siehe Abbildung) dienen, deren Grundidee auf zwei Denkansätzen beruht: Zum einen ist es die Darstellung und Analyse der Wertschöpfungs- und Prozessketten eines Unter­nehmens, zum anderen ist es die enge Analogie zum (klassischen) Absatzmarketing.

Die Personalmarketing-Gleichung

Beide Teilziele der personalen Wertschöpfungskette, nämlich die Personalgewinnung und die Personalbindung, lassen sich nur dann erreichen, wenn es dem Personalmanagement gelingt, die Vorteile des eigenen Unternehmens auf die Bedürfnisse der Bewerber auszurichten. Die Bestimmungsfaktoren dieser Vorteile sind das Leistungsportfolio, die besonderen Fähigkeiten, das Know-how, die Innovationskraft und die Unternehmenskultur, kurzum: das Akquisitionspotenzial des Unternehmens – und nicht nur die Höhe des Einstiegsgehalts! Die Analogie zum Absatzmarketing wird ganz besonders deutlich an den Aktionsfeldern der Personalbeschaffungskette. Begriffe wie Positionierung, Segmentierung, Kom­munikation oder auch (Employer) Branding haben ihren Ursprung und ihre konzeptionellen Grundlagen im klassischen Marketing. Die Übertragung dieser Begriffe auf das Personalmarketing ist deshalb zielführend, weil geeignete Bewerber quasi als Kunden genauso umworben werden müssen wie potenzielle Käufer von Produkten und Dienstleistungen. Die Akquisition von geeigneten Mitarbeitern kann nur dann erfolgreich sein, wenn das Unternehmen die Bedürfnisse und Anforderungen dieser Zielgruppe kennt, diesen mit seinem Marktauftritt gerecht wird und dies auch glaubhaft nach außen kommuniziert. Eine gezielte Ansprache wird dann erleichtert, wenn es gelingt, Kriterien aufzustellen, mit deren Hilfe die geeigneten Mitarbeiter identifiziert und von den sonstigen Bewerbern abgegrenzt werden können. Im Rahmen des Personalbeschaffungsprozesses ist daher die Segmentierung des Arbeitsmarktes das erste wichtige Aktionsfeld für das Personalmarketing. Von besonderer Bedeutung ist dabei das Verständnis für eine bewerberorientierte Durchführung der Segmentierung, denn der Beschaffungsprozess sollte grundsätzlich aus Sicht des Bewerbers beginnen. Die Aktionsfelder Arbeitsmarktpositionierung, Signalisierung im Arbeitsmarkt, Kommunikation mit dem Bewerber sowie Personalauswahl und -integration folgen in der zeitlichen Reihenfolge dem Aktionsfeld Arbeitsmarktsegmentierung und vervollständigen die Wertschöpfungskette Personalbeschaffung.

Kommen wir zur zweiten Option: Natürlich sind (Abschluss-) Noten nicht unwichtig, aber immer mehr Unternehmen erkennen, dass es kurzsichtig und manchmal auch wenig dienlich sein kann, die Note als einziges Zulassungskriterium zum persönlichen Vorstellungsgespräch für Hochschulabsolventen heranzuziehen,  um die richtigen Kandidaten für den ausgeschriebenen Job zu gewinnen. Solche Unternehmen suchen vielmehr nach dem oder der Zweitbesten. Hervorragende sportliche Leistungen oder zwei Masterabschlüsse in verschiedenen Bereichen, ein selbstfinanziertes Studium vielleicht sogar über den zweiten Bildungsweg oder berufsbegleitend, ein Engagement als Schul- oder Studierendensprecher, Praktika oder Auslandsaufenthalte, die allesamt vielleicht zu einer etwas schlechteren Durchschnittsnote, aber auch zur Entwicklung der individuellen Persönlichkeit beigetragen haben, können den Unternehmen mindestens genau so viel Wert sein, wie die Noten mit der „Eins vor dem Komma“. „Performance statt Potenziale“ ist hier die Losung, denn Potenziale sind zunächst einmal nur vage Erwartungen – also Hoffnungen auf Leistungen, die der Kandidat später einmal erbringen könnte. Oder auch nicht. Doch wie kann man Performer erkennen?  In dem man bspw. auf Lebensläufe achtet, die Ergebnisse und nicht Positionen in den Mittelpunkt stellen. Hierbei handelt es sich in aller Regel um besonders wirksame Führungsnachwuchskräfte.

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