Nun ist es amtlich: Deutsche Bank und Commerzbank haben offiziell Sondierungsgespräche für eine Fusion aufgenommen – mit ergebnisoffenem Ende. Beide Unternehmen kränkeln seit Jahren. Die Deutsche Bank ist nach der Finanzkrise international fast bedeutungslos geworden. Die Commerzbank, die im vergangenen September aus dem DAX-Index der 30 größten Börsenkonzerne gefallen ist, musste sogar mit Milliarden Euro vom Deutschen Staat während der Finanzkrise gerettet werden. Warum nun also Not und Elend zusammenlegen?
Hauptinitiator der Fusionspläne scheint das Bundesfinanzministerium zu sein. Deutschland als drittgrößte Exportnation brauche eine starke Bank, die deutsche Unternehmen international begleitet. Diesem politischen Argument folgt die wirtschaftliche Überlegung, dass sich aus dem Mega-Deal einige Synergieeffekte ergeben können: Wegfall von Filialen, Nutzung einer IT etc. Doch solche harten Faktoren spielen im Hinblick auf den Erfolg der Fusion erfahrungsgemäß nur eine untergeordnete Rolle. Viel wichtiger ist der Umgang mit den weichen Faktoren und dies ist an erster Stelle – neben einer überzeugenden Unternehmensvision – die Unternehmenskultur. Warum?
Wenn zwei Unternehmen fusionieren, prallen jedes Mal unterschiedliche Unternehmenskulturen aufeinander. Davon können sowohl die Deutsche Bank als auch die Commerzbank bereits ein Lied singen. So hält die Deutsche Bank seit November 2010 die Mehrheit an der Postbank und hat es in diesen neun Jahren nicht geschafft, den Partner zu integrieren. Nicht viel anders sieht es bei der Commerzbank aus: Noch heute – ziemlich genau 10 Jahre nach der Übernahme der Dresdner Bank – ist offensichtlich nicht einmal die Integration der IT-Systeme abgeschlossen.
Die Unternehmenskultur gilt als weicher Faktor – hat jedoch harte Auswirkungen: Das Scheitern einer Unternehmenszusammenlegung ist zumeist darauf zurückzuführen, dass es nicht gelungen ist, verschiedene Unternehmenskulturen harmonisch miteinander zu verschmelzen.
Starke Verunsicherung („Was passiert mit mir?“), Misstrauen gegenüber den Mitarbeitern des anderen Unternehmens und ein Gefühl von Kontrollverlust werden zum täglichen Begleiter während der Merger-Phase. Bei den Mitarbeitern des vermeintlich „schwächeren“ Unternehmens kann ein Gefühl von Unterlegenheit aufkommen. Diese Emotionen führen dazu, dass sich die Mitarbeiter nur noch mit sich selbst beschäftigen – das operative Tagesgeschäft und besonders die Kundenbeziehungen werden zweitrangig. Im Extremfall kommt es zur inneren oder tatsächlichen Kündigung, wobei bekanntermaßen die besten Mitarbeiten das Mega-Unternehmen zuerst verlassen. Werden kulturelle Unterschiede nicht berücksichtigt, kann dies zu Widerständen und Konflikten führen, die den Integrationsfortschritt behindern oder gar zum Stillstand bringen.
Doch wer ist bei dieser Mega-Fusion eigentlich der stärkere Partner? Die Bank mit der größeren Bilanzsumme ist sicherlich die Deutsche Bank, doch ihre momentane wirtschaftliche Talfahrt ist ja gerade die Initialzündung für die Idee eines Zusammengehens. Also wird man sicherlich eine Fusion unter Gleichen, also ein Zusammenschluss auf Augenhöhe anstreben.
Um solche Situationen der Verunsicherung zu vermeiden, sind grundsätzlich drei Strategien der kulturellen Integration denkbar:
- Kulturpluralismus, d. h. beide Kulturen bleiben nebeneinander bestehen. Man könnte, da wir es ja hier mit einer Art „Hochzeit“zu tun haben, auch von einer „offenen Ehe“ Deutsche Bank und Commerzbank können ihre Kulturwerte (z.B. Führungsstil, Entscheidungsverhalten, Gehaltsstruktur, Umgang mit Kunden etc.) aufrechterhalten. Jeder kann weiterhin im Rahmen der gemeinsamen Ziele relativ autonom agieren. Es handelt sich um eine ziemlich erfolgreiche Form des Zusammenschlusses, da die erforderlichen Veränderungen eher gering sind.
- Übernahme einer Kultur, in der Regel der des Käufers bzw. der des wirtschaftlich stärkeren Partners. Man kann auch vom Konzept der „traditionellen Ehe“ Um die Ziele des Zusammenschlusses zu erreichen, wird i.d.R. das übernommene Unternehmen dem Übernehmer angepasst. Der Erfolg des Mergers hängt hierbei entscheidend davon ab, ob das übernommene Unternehmen bereit ist, diese Art von „Ehevertrag“ zu akzeptieren.
- Symbiose der Kulturen(„Best of Both“). Dies entspricht dem Konzept der „modernen Ehe“. Die Fusionspartner schätzen gegenseitig die Kompetenz und Fähigkeit des jeweils anderen Managements hoch ein. Die beiderseitige „Integration“ führt zu großen Veränderungen für beide Seiten. Dieser Fall setzt eine ausgesprochen hohe Integrationsfähigkeit voraus.
Doch wie realistisch bzw. erfolgversprechend sind solche „Kulturverordnungen“ eigentlich?
Bei der traditionellen Ehe, also bei der verordneten Übernahme der Kultur des Käufers, werden sich – eine starke Kultur des übernommenen Unternehmens vorausgesetzt – alle wirklich wichtigen Mitarbeiter „aus dem Staube“ machen.
Bei der modernen Ehe fehlen i.d.R. die Instrumente, die Transparenz und die Zeit, um die Kulturen so aufzudröseln, dass schlussendlich nur noch die Vorzüge beider Kulturen in der Zielkultur zum Tragen kommen.
Bleibt schließlich noch die offene Ehe als – aus meiner Sicht – einzig realistische Strategie, denn Kulturen kann man nicht verordnen, sondern müssen (vor-)gelebt werden. Hier bleiben beide Kulturen (zunächst) nebeneinander bestehen. Die Gefahr einer Auseinanderentwicklung besteht dann nicht, wenn man besonders wichtige Positionen zunächst doppelt besetzt, bis sich der endgültige Stelleninhaber „ausmendelt“. Dieses Vorgehen wird bei Zusammenschlüssen von Dienstleistungsunternehmen bevorzugt. Allerdings kann es hierbei geschehen, dass sich die (dann stärkere) Kultur des übernommenen Unternehmens durchsetzt, obwohl dieses durchaus kleiner sein kann als das übernehmende. Man spricht in diesem Fall von einem Reverse-Merger bzw. Reverse-Takeover. Die Fusionen von Price Waterhouse und Coopers & Lybrand sowie Ernst & Young und Arthur Andersen sind Bespiele dafür, wie David letztlich Goliath bezwingen kann.
Fazit: Egal ob freundliche Übernahme, Fusion auf Augenhöhe, Verschmelzung oder Integration – die Sollbruchstellen bei jedem Zusammenschluss liegen bei den Faktoren des strategisch-strukturellen Erklärungsansatzes (also der Unternehmensvision und -mission) oder – und das ist allermeist der Fall – im unternehmenskulturellen Bereich.
Schiere Größe allerdings ist noch lange kein Garant für den Fusionserfolg. Größe sollte nicht nur begründet, sondern es sollten auch die Nachteile der Größe gegengerechnet werden. Insbesondere die verantwortlichen Aufsichtsräte sind hier gefordert.
(Zusätzliche Informationen besonders zu Fusionen im Dienstleistungsbereich finden Sie in „Die Personalmarketing-Gleichung. Einführung in das wert- und prozessorientierte Personalmanagement“, 2. Aufl., De Gruyter Oldenbourg, München 2014 und „Grundlagen der Unternehmensberatung. Strukturen – Konzepte – Methoden“, Springer Gabler, Wiesbaden 2016)
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