Fordern Sie Ihre Personalabteilung heraus: Zehn Empfehlungen für ein effektiveres Personalmanagement (1. Teil)

Kaum ein Bereich wird heutzutage stärker vom Veränderungstempo herausgefordert als die Personalabteilung. Kaum ein Managementbereich hat aber auch so viele Verbesserungspotenziale wie das Personalmanagement. Geht man einmal die beiden HR-Wertschöpfungsketten ‚Personalbeschaffung‘ und ‚Personalbetreuung‘ mit ihren Prozessschritten von der Personalsuche bis zur Personalfreisetzung durch, so ist damit die Reihenfolge meiner zehn Empfehlungen für eine effektivere Personalarbeit gegeben. Beginnen wir gleich mit den ersten fünf Empfehlungen und dem ersten Schritt der Personalbeschaffungskette – der Personalsuche.

Erste Empfehlung: Vergessen Sie bei der Personalsuche die ‚Stellenbeschreibung‘ und suchen Sie nicht nach der ‚eierlegenden Wollmilchsau‘!

Die Personalsuche wird in sehr vielen Fällen mit einer falschen Voraussetzung begonnen – nämlich der Stellenbeschreibung (engl. Job Description). Dahinter verbirgt sich die Frage: Welcher Kandidat passt am besten zu der offenen Stelle? Angesichts der wirtschaftlichen Dynamik innovativer Märkte – und das gilt ja wohl für nahezu alle Unternehmen – bleibt auf mittlere Sicht kaum eine Stelle unverändert, so dass viele Unternehmen ohnehin nicht nachkommen, ihre Stellenbeschreibungen ständig auf dem neuesten Stand zu halten. Die Frage muss also lauten: Welche Persönlichkeit passt am besten zu unseren zukünftigen Anforderungen? Es ist also ratsam, von Assignments und nicht von Stellen zu sprechen. Stellen sind starr, unbeweglich und statisch. Stellenbeschreibungen sind dementsprechend überflüssig wie ein Kropf. Wichtig ist dagegen das Anforderungsprofil (engl. Job Specification), das als Sollprofil der gesuchten Qualifikation besonders auch zur bewerbergerechten Segmentierung des Arbeitsmarktes dient.

Mit der Stellenbeschreibung hängt auch noch eine zweite Überlegung zusammen. Stoppen Sie Ihre Recruiter bei der Suche nach dem Universalgenie, das sich durch umfangreiches Fachwissen und Branchenerfahrung auszeichnet und das gleichzeitig durchsetzungsstark, entscheidungsfreudig, visionär, begeisterungsfähig, sozial kompetent und engagiert, empathisch, multikulturell und teamorientiert ist. Diese Mischung aus Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften, Major bei der Bundeswehr und RTL-Showmaster, die zudem erst ist 24 Jahre alt ist, diverse Auslandsaufenthalte und Praktika vorweisen kann und verhandlungssicheres Englisch spricht, ist seltener als ein Hauptgewinn im Lotto. Trotzdem werden Stellenanzeigen mit der Zielgruppe „Führungsnachwuchs“ so oder so ähnlich immer wieder formuliert. Eigentlich nicht schlimm, aber gerade im „People Business“ sollte Glaubwürdigkeit statt Übertreibung vorherrschen.

Zweite Empfehlung: Überzeugen Sie Ihre Recruiter davon, den ‚Tunnelblick‘ aufzugeben und nicht allein die Noten (Master, Bachelor, Abitur) als ‚Eintrittskarte‘ zum Vorstellungsgespräch anzusehen!

Natürlich sind (Abschluss-)Noten nicht unwichtig, sie aber als einziges Zulassungskriterium zum persönlichen Vorstellungsgespräch für Hochschulabsolventen zu missbrauchen, ist häufig kurzsichtig und wenig dienlich, um die richtigen Kandidaten für den ausgeschriebenen Job zu bekommen. Sportliche Bestleistungen, zwei Masterabschlüsse in verschiedenen Bereichen, ein selbstfinanziertes Studium vielleicht sogar über den zweiten Bildungsweg oder berufsbegleitend, ein Engagement als Schul- oder Studierendensprecher, Praktika oder Auslandsaufenthalte, die allesamt vielleicht zu einer etwas schlechteren Durchschnittsnote, aber auch zur Entwicklung der individuellen Persönlichkeit beigetragen haben, sollten den Unternehmen doch mindestens genau so viel Wert sein, wie die Noten mit der ‚Eins vor dem Komma‘. Die Lösung: Laden Sie doppelt so viele Kandidaten zu einem Vorstellungsgespräch ein und berücksichtigen Sie dabei schwerpunktmäßig solche BewerberInnen, die sich durch eine ganz besondere Vita auszeichnen.

Die Entgegnung, dass dann der Auswahlprozess auch doppelt so teuer wird, kann – ganz abgesehen von der spürbar besseren Qualität der Kandidaten – auch dadurch sehr leicht entkräftet werden, dass der Bewerbungsprozess aufgrund des zunehmenden Wegfalls von kostspieligen Printanzeigen ohnehin deutlich preiswerter geworden ist. Zudem lässt sich solch ein Vorselektionsprozess auch wunderbar outsourcen. Personalberater mit ihrem enormen Erfahrungspotenzial und ihrer Menschenkenntnis stehen zur Genüge vor der Tür.

Dritte Empfehlung: Tauchen Sie im Rahmen von Einstellungsgesprächen möglichst tief in die Persönlichkeit der BewerberInnen ein und verzichten Sie darauf, seine/ihre Sachkompetenz nochmals abzufragen!

Das Einstellungsgespräch lässt sich mit einem Eisberg vergleichen. Bestimmte Eigenschaften sind offensichtlich und liegen über der Wasseroberfläche. Die Mehrzahl der Eigenschaften liegt aber unterhalb der Oberfläche. Die offensichtlichen Eigenschaften wie Ausbildung, Noten, Erfahrung und Wissen gehen aus den Bewerbungsunterlagen hervor und sollten daher nicht nochmals abgefragt werden. Wichtiger als Sachkenntnisse sind in diesem Gespräch jene Eigenschaften, die das Unternehmen erst später zu spüren bekommt. Dazu zählen Einstellungen, Werte, Motivation, Verhaltensmuster, Sensibilitäten oder Loyalität. Erst bei diesen Merkmalen entscheidet sich, ob die (spätere) Führungskraft einen substantiellen Beitrag zur Weiterentwicklung des Unternehmens liefern wird.

Vierte Empfehlung: Verlagern Sie einen Teil des Budgets von der Personalentwicklung hin zur Personalauswahl!

Seit Jahren stehen Führungskräfteentwicklung und Talentmanagement ganz oben auf der Agenda der Personalmanager – und das zu Recht. Die Frage ist nur, ob die damit verbundenen Investitionen in Zeit und Geld für die Führungs- und Führungsnachwuchsentwicklung auch dort richtig angesiedelt sind. Denken Sie doch einmal darüber nach, ob nicht ein Teil des Personalentwicklungsbudgets besser in einen effektiveren Personalauswahlprozess anstatt in spätere, oft mühsame Personalentwicklungsmaßnahmen mit Reparaturcharakter investiert werden sollte. Meine Empfehlung daher: Schichten Sie einen Teil der Personalentwicklungsgelder in den Personalauswahlprozess um.

Fünfte Empfehlung: Setzen Sie den neuen Mitarbeiter an dessen ersten Arbeitstag nicht gleich an seinen Arbeitsplatz. Lassen Sie ihn vielmehr in den Genuss eines Onboardings kommen. Er wird es Ihnen danken!

Der erste Arbeitstag ist der wichtigste Tag für einen neuen Mitarbeiter. Eine gelungene Integration ist der Grundstein dafür, dass der Neuling von Beginn an die an ihn gestellten Erwartungen erfüllt. Gleichzeitig erwartet aber auch der Neueinsteiger, dass seine Erwartungshaltung gefestigt wird. Die Erfahrungen der Integrationsphase entscheiden sehr häufig über die zukünftige Einstellung (Loyalität) zum Unternehmen und prägen den weiteren Werdegang als Mitarbeiter. Daher sollte dem Neueinsteiger gerade in der ersten Zeit ein hohes Maß an Aufmerksamkeit geschenkt werden. Übrigens: Es sind immer die ersten zwei bis drei Tage bei einem neuen Arbeitgeber, die einem besonders im Gedächtnis bleiben – an die vielen Tage danach wird man sich später nur noch sporadisch erinnern.

Eine der wirksamsten Maßnahmen ist es, den neuen Mitarbeiter am ersten Tag nicht direkt an seinen neuen Arbeitsplatz „zu setzen“, sondern ihn im Rahmen eines Einführungsseminars zusammen mit anderen neuen Mitarbeitern willkommen zu heißen und über die besonderen Vorzüge des Unternehmens nachhaltig zu informieren. Das speziell für neue Mitarbeiter aus­gerichtete Einführungsseminar wird von international orientierten Unternehmen sehr häufig als Onboarding bezeichnet. Ein solches Onboarding kann durchaus mehrere Tage umfassen und sollte von der Geschäftsleitung und dem Personalmanagement begleitet werden. Die neuen Mitarbeiter erfahren dadurch eine besondere Anerkennung, werden in ihrer Auswahlentscheidung bestärkt, können die kognitive Dissonanz abbauen und sind für die weitere Arbeitsphase motiviert. Es vermittelt Kontakte über die Grenzen der eigenen Abteilung hinaus und fördert ein besseres Verständnis der Zusammenhänge von Personen und Prozesse im Unternehmen. So können bereits frühzeitig über Abteilungsgrenzen hinweg Netzwerke gebildet werden. Und das Beste: Sie vermeiden hohe Fluktuationskosten.

Im 2. Teil werden folgende Empfehlungen ausgesprochen und begründet:

  • Investieren Sie in ein „gerechtes“ Gehaltssystem!
  • Schicken Sie Ihr Management auf die Schulbank, denn Manager ohne digitales Know-how sind out!
  • Schaffen Sie ein Talentpool mit einer speziellen Wissens- und Fähigkeitsausrichtung, um damit besser auf bestimmte Innovationen vorbereitet zu sein!
  • Nehmen Sie weibliche Führungsnachwuchskräfte rechtzeitig mit ins Führungsboot!
  • Das Entlassungsgespräch ist nicht an das Personalmanagement delegierbar!

Mehr dazu mit Beispielen und Grafiken in „Die Personalmarketing-Gleichung. Einführung in das wert- und prozessorientierte Personalmanagement“, 2. Aufl., De Gruyter Oldenbourg und in „Die Unternehmensberatung. Von der strategischen Konzeption zur praktischen Umsetzung“, 2. Aufl., Springer Gabler.

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