Wie Start-ups unser Führungsverhalten verändern

Angesichts der Vielzahl klassischer und neuerer Führungstheorien und -ansätze interessiert ein kurzer Blick auf die gegenwärtige Führungspraxis. Im Vordergrund stehen dabei die beiden Pole unserer Unternehmenslandschaft: Start-ups und Großunternehmen.

Start-ups, die häufig (noch) keinerlei Hierarchien kennen, verstehen sich sehr gut darin, alle Eigenschaften der Generation Y (und zunehmend auch der Generation Z) zu nutzen und auch in ihrem Sinne zu bestärken. Wo andere Unternehmen an ihre Grenzen stoßen und mit den Eigenschaften und Ansichten der Digital Natives nicht umgehen können (wie z.B. das permanente Hinterfragen der traditionellen Praxis), werden sie in Start-ups motiviert, wiederholt Fragen zu stellen. Im Gegenzug sind zumindest die „Ypsiloner“ bereit, eine hohe Leistungsbereitschaft zu zeigen. Statussymbole wie Dienstwagen sind von geringerer Bedeutung. Wichtig dagegen ist die intrinsische Motivation der Mitarbeiter. Sie hinter­fragen zu erledigende Aufgaben und wollen die Sinnhaftigkeit darin erkennen. Ähnliches gilt auch für das Feedback. Zwar suchen Mitarbeiter der Generation Y offensiv das Feedback, jedoch entscheiden sie kritisch, ob sie es auch annehmen. Für Start-ups ist es wichtig, dass Führungskräfte zwar ein klares Ziel definieren, jedoch nicht den Weg vorgeben. Dadurch können sich Mitarbeiter mit der Aufgabe identifizieren und sind motivierter. Dies steigert wiederum die Zufriedenheit und Loyalität. Bei den Freiräumen, die Mitarbeiter bei diesem „Coaching-Ansatz“ genießen, geht Autorität nicht verloren. Diese erhält die Führungskraft aber nicht durch Status oder Macht. Vielmehr ist wichtig, dass sie gegenüber dem Mitarbeiter eine natürliche Autorität (besser: Respekt) erlangt. Das kann dadurch erreicht werden, dass Mitarbeiter durch die Erfüllung von Zielen auch ihren persönlichen Zielen näherkommen. Dadurch akzeptiert sie die Führungskraft. Wichtig für die jungen Mitarbeiter ist die Authentizität der Führungskraft.  Merkt der Mitarbeiter, dass ihm etwas vorgespielt wird, verliert er schnell den Respekt gegenüber seinem Vorgesetzten. Ganz besonders schätzt der Digital Native die soziale Präsenz der Führungskraft. Soziale Präsenz macht sich fest an Emotionen, Humor und Selbstoffenbarungen sowie an das Ansprechen der Gruppe mit „wir“ und „unser“.

Der enorme Erfolg, den Start-ups mit ihren innovativen Führungsstilen haben, bleibt auch großen Unternehmen nicht verborgen. So schreibt der ehemalige Telekomvorstand Thomas Sattelberger im Forum Gute Führung:

„Wir erleben gerade einen Paradigmenwechsel in deutschen Unternehmen. Entscheidungsfähigkeit und Macht werden zunehmend auf Teams oder Projektgruppen verlagert. Der einzelne kluge Kopf wird Teil von Kooperationsnetzen. Geführte erwarten zunehmend andere Menschenführung, Führungskräfte sind zunehmend auf der Suche nach einem anderen Verständnis von Führung und beide wollen eine neue Führungskultur.“

Viele traditionelle Unternehmen übernehmen gewisse Aspekte der neuen Führungsansätze, die sich aus dem Umgang mit den veränderten Wertvorstellungen der neuen Generationen ergeben, und führen sie in den eigenen Organisationen ein. Während beispielsweise Perfektion zu den traditionellen Werten zählt, steht als neue Kompetenz Schnelligkeit dagegen, denn heute zählen agile Prozesse und Prototyping. Hatte es sich bislang bewährt, dass aus den Erfolgen der Vergangenheit die Vorgehensweise für die Zukunft abgeleitet wird, so ist jetzt disruptives Denken angesagt, bei dem die eigene Herangehensweise täglich neu und innovativ hinterfragt wird. Ebenso  tritt neben Fach- und Führungskompetenz zunehmend die digitale Kompetenz, d.h. die technischen Grundlagen müssen gekannt und die Arbeitsmittel müssen beherrscht werden.

Der Verlag Axel Springer SE gilt  als beispielhaft im Umgang mit den besonderen Herausforderungen der digitalen Transformation. Im Rahmen seiner Umstrukturierung vom physischen Print-Verlag zum digitalen Medienkonzern tätigte Springer in den Jahren 2006 bis 2015 mehr als 230 Investments vornehmlich in Startup-Unternehmen. Aufgrund der Erfahrungen mit diesen M&A-Aktivitäten wirbt der Konzern mit dem Slogan „Alle Chancen eines Start-ups“. Mit dieser Arbeitgeberkampagne will man potenziellen Mitarbeitern zeigen, dass das Unternehmen die Sicherheit und Vorteile eines Konzerns und gleichzeitig die Dynamik und Arbeitskultur eines kleineren Start-ups bietet.

Generelles Ziel der Neuformierung in Richtung digitaler Führung muss es sein, die Führungskompetenz dahingehend zu entwickeln, dass mit Begeisterung und Offenheit geführt wird. Begeisterung deshalb, weil selbst begeistert sein und andere begeistern können, zwei der wichtigsten elementaren Führungseigenschaften sind. Begeisterung vor allem auch deshalb, weil die Generation Z (Geburtsjahrgänge ab 1995) in der Führung durch Begeisterung einen ganz wichtigen Schlüssel für oder gegen ein Unternehmen als Arbeitgeber sieht. Offenheit deshalb, weil in einer sich ständig ändernden Umwelt eine permanente Lern- und Veränderungsoffenheit essentiell ist. Offenheit aber auch deshalb, weil organisationale Offenheit und damit Vertrauen die Währung im digitalen Zeitalter und in der digitalen Führungskultur ist.

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