„Die digitale Grundsteuererklärung ist ein Offenbarungseinheit der Finanzverwaltung“

Ich bin aufs Gymnasium gegangen, habe Abitur gemacht und anschließend studiert; das Studium habe ich mit einem ordentlichen Diplom beendet und später noch promoviert. Das alles hat mir bei der Erstellung der Grundsteuererklärung aber nichts genutzt: Beim dritten Versuch, das ELSTER-Übertragungsprogramm fehlerfrei auszufüllen, habe ich schließlich aufgegeben und das Finanzamt angerufen. Obwohl ich dort – wie mir elektronisch mitgeteilt wurde – die Nummer 53 in der Warteschlange war, hat mich das schon nicht mehr frustriert. Irgendwann kam ich an die Reihe und man teilte mir die Telefonnummer meiner für die Grundsteuer zuständigen Bearbeiterin mit. Dazu muss man wissen, dass die Grundsteuer eine Gemeindesteuer ist und durch das Finanzamt, in dessen Amtsbezirk das Grundstück liegt, festgesetzt und eingezogen wird.

Schließlich erreichte ich die zuständige Bearbeiterin, die sich dann eine gute Stunde Zeit für meine Grundsteuererklärung nahm. Ihr lagen offensichtlich alle Daten, die ich mir mühsam zusammengesucht hatte, ebenfalls vor. Solche Daten waren Größe des Grundstücks, Grundbuchblattnummer, Gemarkung, Flur, Flurstück, Miteigentumsanteil am Grundstück, Grundsteuernummer, Bodenrichtwert, Baujahr des Gebäudes, Wohnfläche, Kontaktdaten der Eigentümer. Wiegesagt – und das ist wichtig – diese Daten lagen der netten Dame vom Finanzamt ebenfalls vor. Wahrscheinlich aber nicht in digitalisierter Form. Doch die Daten sind nicht das Problem. ELSTER, das elektronische Datenübertragungssystem, ist das Problem. Immer wenn ich die Sachberaterin auf die verwirrenden Fehlermeldungen von ELSTER angesprochen habe, kam von ihr die stereotype Antwort: „Ich habe ELSTER nicht programmiert.“

Hier nur ein Beispiel zu den irreführenden ELSTER-Fehlermeldungen:

Ich wohne in einem Haus mit vier Eigentumswohnungen, die alle über 100 qm groß sind. Unter Punkt 13 zu den „Angaben zu Grund und Boden“ wird nun gefragt a) nach der Anzahl der Wohnungen mit einer Wohnfläche von 100 qm und mehr und b) nach der gesamten Wohnfläche in qm. Ohne zu zögern hatte ich hier eingetragen: a) Anzahl: 4 und b) 830 qm. Das war aber falsch. Stattdessen wäre a) Anzahl: 1 und b) die entsprechende Größe nur meiner Wohnung richtig gewesen. Die Prüfhinweise hierzu sind derart kryptisch, dass ein etwaiger Fehler nicht auszumachen ist.

Mein fassungsloses Staunen kommentierte meine Bearbeiterin natürlich mit den Worten: „Ich habe ELSTER nicht programmiert.“

Aber auch die Tatsache, dass man nach der Steuernummer, der Steuer-Identifikationsnummer (Steuer-ID) und der Grundsteuer-Nummer gefragt wird, ist in meinen Augen unnötiger Ballast. Gebraucht wird nur die Grundsteuer-Nummer. Diese ist aber 12-stellig und beginnt mit 11. Angeboten vom System werden aber nur 10 Stellen. Die Finanzamtsangestellte hierzu: „Lassen Sie die ersten beiden Ziffern einfach weg.“ Ja, wer soll denn das erraten? Und kennt jemand den Unterschied zwischen Erbengemeinschaft, Bruchteilsgemeinschaft und Grundstücksgemeinschaft? Eines davon muss man zu den Eigentumsverhältnissen ankreuzen. Und, und, und …

Software ist niemals fehlerfrei. Das weiß jeder, der im IT-Bereich tätig ist oder war. Bevor man jedoch eine Softwareplattform (nämlich ELSTER) freischaltet und auf Zig-Millionen Grundstückseigentümer bei 36 Millionen Grundstückseinheiten loslässt, sollten doch wenigstens redaktionell geschulte Mitarbeiter oder Dienstleister die Erläuterungstexte zweifelsfrei erstellen und mehrmalige Testläufe mit steuerlich unbelasteten Personen durchgeführt werden.

Bei einer vernünftigen Digitalisierung des Katasterwesens hätte die Finanzverwaltung die ihnen bekannten Daten sogar selbst in die Erklärungen einfügen können – so wie es in anderen EU-Staaten ja auch üblich ist. Dieser selbstverständlichen Anforderung war der Bund aus Angst vor einer Kollabierung der Finanzämter jedoch nicht nachgekommen.

Nach Angaben der Entwicklungsfirma ist ELSTER eine Software-Plattform, die „eine effiziente, zeitgemäße, medienbruchfreie und hochsichere elektronische Übertragung“ der Daten ermöglichen soll. Dass dem eben nicht so ist, hat die Finanzverwaltung – nachdem man zunächst alle Grundstückseigentümer in Richtung ELSTER geschickt hat – inzwischen auch erkannt und ein weiteres Internetportal für Privateigentümer alternativ zur Steuerplattform ELSTER eingerichtet.

Die Kommentare meiner mitbetroffenen Grundstückseigentümer, die ähnlich viel Zeit, Aufwand und starke Nerven gebraucht haben, reichten im Internet von „Ein ganzer Sonntag im Eimer für eine sinnlose Sache“ bis zu „Die digitale Grundsteuererklärung ist ein Offenbarungseid der Finanzverwaltung“.

 

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