Hauptleidtragende zwischen starren Modulplänen, ausufernden Prüfungsleistungen und unrealistischen Workload-Annahmen sind häufig die Bachelor-Studierenden. Sie sollen mindestens ein Praktikum und das möglichst im Ausland machen. Dafür ist im Lehrplan aber häufig gar kein Platz vorhanden. Sie sollen Persönlichkeiten statt nur Absolventen sein. Besonders hinderlich sind die sich anhaltend verschlechternde Betreuungsrelation von Studierenden zu Professoren und die geringe Verzahnung von Theorie und Praxis. Der angehende Bachelor hört sich durch vorgegebene Einführungsvorlesungen – und muss durch Anwesenheit glänzen, auch wenn das Thema nicht interessiert. In einigen Studiengängen ist der Bachelor sogar gänzlich wertlos: Lehramtsstudierende brauchen den Master, um ein Referendariat anschließen zu können. Psychologie-Absolventen haben mit dem Bachelor einen Abschluss, können sich aber nicht Psychologen nennen.
Alles in allem also keine leichte Situation für den angehenden Bachelor, der zumeist noch ein Semester dranhängen muss, um überhaupt ein qualifiziertes Praktikum durchführen zu können.
Geht man der misslichen Situation auf den Grund, so bildet die Bologna-Reform den Ausgangspunkt. Bologna sah für den fertigen Bachelor vier grundsätzliche Wege in die Berufstätigkeit vor (siehe Grafik).
Den Weg (1) sollten nach den Vorstellungen der Reformverantwortlichen 80 bis 90 Prozent aller Bachelor einschlagen. Mit anderen Worten, der Bachelor-Abschluss sollte für die überwältigende Mehrheit aller Studierenden ausreichen.
Es stellte sich aber sehr schnell heraus, dass die fertigen Bachelor – um wettbewerbsfähig zu sein – zunehmend gezwungen waren, nun auch noch den Master draufzusatteln. Warum? Dazu müssen wir uns noch einmal die beiden Hauptziele der Hochschulreform vor Augen führen, nämlich die Schaffung eines europäischen Hochschulraumes und der deutlich frühere Berufseinstieg. Beide Ziele und ganz besonders der frühere Berufseinstieg hatten die Personalabteilungen doch gar nicht interessiert. Als die beiden neuen Bezeichnungen (Bachelor und Master) „auf den Markt“ kamen, war für die diplomierten Personaler doch nur eines wichtig: Welcher ist der bessere Abschluss – Bachelor oder Master? Und es sprach sich sehr schnell herum, dass man anstatt eines jungen, verschulten Bachelors auch – ohne große Mehrkosten – einen erfahrenen Master bekommen konnte. Man brauchte nur ein „Upgrade“ der Stellen- und Anforderungsprofile in den Online-Jobbörsen vorzunehmen.
Das wäre sicherlich alles ohne große Wirkung geblieben, wenn nur einige wenige Personalreferenten so vorgegangen wären. Es waren aber nicht nur einige wenige, sondern die überwältigende Mehrheit alle Recruiter, die sehr schnell auf die neue Einstellungspolitik umgeschwenkt sind. Offensichtlich mit „Erfolg“, denn der fertige Bachelor spürte sehr bald, dass er in vielen Bereichen mit seinem Abschluss nicht mehr wettbewerbsfähig war.
Und das, obwohl für die weitaus meisten Akademikerberufe der Bachelor locker ausreichen würde. Das sind nämlich prinzipiell alle Berufe, in denen nicht geforscht wird. Die Unternehmen, nein, die verantwortlichen Personaler, wollen aber vollausgebildete Wissenschaftler für Tätigkeiten, für die man ohne Weiteres auch Studienabbrecher nach dem 4. Semester nehmen könnte. Manche sprechen daher beim Bachelor auch von einem “zertifiziertem Studienabbruch” (wow!).
So kam es eben, dass heute weit mehr als die Hälfte der Bachelor-Absolventen einen Master machen möchten, nein: machen müssen. Ursprünglich war gedacht, dass nur die besten 10 bis 20 Prozent der Bachelor-Absolventen auch ein Masterstudium absolvieren. Dies sollte entweder direkt nach dem Bachelor (“konsekutiv”) oder später im Berufsleben (zum Beispiel berufsbegleitend, “exekutiv”) möglich sein. Entsprechend fehlt es an ausreichend Masterstudienplätzen – gerade im universitären Bereich. Da bei weitem nicht jeder Bachelor-Absolvent einen Master-Platz bekommt, stehen viele nach dem ersten Abschluss vor einer akademischen Zwangspause.
Und genau hier setzt meine Empfehlung an: Allen Bachelor-Absolventen, die noch einen Master draufsatteln wollen (pardon: müssen), empfehle ich den Weg (2) – also zwischen Bachelor und Master eine Pause einzulegen. Diese Zäsur sollte dann mit einer ersten Festanstellung oder einer Werkstudententätigkeit oder einem vernünftigen Praktikumsplatz ausgefüllt werden.
Allen verantwortlichen Personalern empfehle ich gleichzeitig, mit diesen Praktikanten/Werkstudenten – sofern deren Persönlichkeit überzeugt und zum Unternehmen passt – Gespräche über eine gemeinsame Zukunft fernab von irgendwelchen späteren Master-Abschlussnoten zu führen.
Mehr dazu in meinem Buch „Personalmanagement und High Potentials“:
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