Das ist zumindest der Eindruck, den die EY-Studentenstudie 2018 vermittelt. Es wurden 2.000 Studierende der unterschiedlichsten Studiengänge an 27 Universitäten nach ihren Werten, Zielen und Perspektiven befragt. Danach sind – wie erwartet – die Vereinbarkeit von Beruf und Familie (Work-Life-Balance), Kollegialität, Aufstiegschancen und gutes Gehalt nahezu gleich wichtig – noch viel wichtiger ist aber die Jobsicherheit. Merkmale wie Markterfolg, Innovationskraft und Reputation des Arbeitgebers sowie Benefits wie Dienstwagen sind für Absolventen deutlich weniger wichtig bei der Entscheidung für einen Arbeitgeber und aufgrund der niedrigen Prozentsätze in dieser Tabelle gar nicht mehr aufgeführt.
Übrigens gibt es kaum Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Studierenden. Sowohl bei den Frauen (62 Prozent) als auch bei den Männern (52 Prozent) ist die Jobsicherheit der wichtigste Faktor bei der Bewertung von Arbeitgebern. An zweiter Stelle folgt bei Frauen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf (49 Prozent). Bei Männern zählt dieses Kriterium (31 Prozent) hingegen nicht zu den wichtigsten Faktoren. Hierüber habe ich in einem anderen Blog-Beitrag ausführlich berichtet.
Unterstrichen wird der Faktor Jobsicherheit zusätzlich durch die Antworten auf die Frage „Welche Branchen sind für Ihre beruflichen Pläne besonders attraktiv?“. Hier dominiert nämlich der Öffentliche Dienst alle anderen Branchen sehr deutlich. Gut zwei von fünf Studierenden bezeichnen den Öffentlichen Dienst als besonders attraktiv für die eigenen beruflichen Pläne. Damit gewinnt der Öffentliche Dienst unter allen Branchen/Bereichen am stärksten an Zustimmung. Berücksichtigt man zudem, dass auch Kultureinrichtungen und Wissenschaft, die hier an zweiter und dritter Stelle liegen, zu einem Teil dem Öffentlichen und halböffentlichen Dienst zuzurechnen sind, dann sollte man sich angesichts zunehmender Staatsquote um die Innovationskraft unserer Unternehmen, die für den Wohlstand unserer Gesellschaft entscheidend ist, vielleicht doch ein wenig Sorgen machen.
Die größten Attraktivitätseinbußen verbucht übrigens die Autoindustrie, die nur noch acht Prozent der Befragten als besonders attraktiv bewerten, vor zwei Jahren waren noch 22 Prozent dieser Ansicht.
Die untenstehende Branchenstatistik ist also ein weiterer Aspekt, der den Sicherheitsgedanken der Studierenden untermauert.
Wohlgemerkt, diese Umfrageergebnisse, bei denen über 40 Prozent der Studierenden den sicheren Job in einer Behörde denjenigen in der Industrie vorzieht, sind vor der Corona-Krise entstanden. Es lässt sich leicht prognostizieren, dass sich die Attraktivität des Öffentlichen Dienstes durch Corona zwischenzeitlich noch weiter erhöht hat. Während Selbständige, Freiberufler und Angestellte in Branchen, die von der Pandemie besonders betroffen sind, häufig nicht wissen, wie lange sie noch Mieten und Unterhalt zahlen können, müssen sich Angestellte im Öffentlichen und halböffentlichen Dienst keine Sorgen um ihr regelmäßiges Einkommen machen.
Fazit: Während sich der Staatsdienst beständig weiter aufbläht, verkümmert der Mut zur Selbständigkeit.
Hier noch mehr zu diesem spannenden Thema:
Guten Tag Prof. Lippold,
ich hatte im WiSe 19/20 ihre Consulting Vorlesung besucht und bin seit dem bei Ihrem Newsletter einer der Abonnenten. Als ich den heutigen Blogeintrag gelesen habe, hat sich mir jedoch die Frage gestellt, wie Repräsentativ die 2000 Studierenden der EY Studie sind und ob ein so allgemeines Fazit überhaupt möglich ist. 2000 Studierenden sind ja nun doch nur ein Bruchteil der Studierenden in DE. Es wurde auch nicht erwähnt, welche Studiengänge vertreten sind – ich könnte mir vorstellen, dass dies ein relevanter Einfluss ist und das in künstlerischen Studiengängen vielleicht andere Ergebnisse herauskommen als bei wirtschaftswissenschaftlichen oder mathematischen etc. Wobei auch das nur eine These ist.
Trotzalledem gefällt mir der Beitrag und ich bin gespannt wie die Ergebnisse solcher Umfragen nach der Corona-Krise aussehen.
Eine schöne Woche, bleiben Sie gesund und LG, Louisa
Hallo Louisa,
vielen Dank für Ihre Nachfrage.
Die Befragung war in der Tat repräsentativ, sowohl hinsichtlich der Studiengänge als auch hinsichtlich des Geschlechts und des Alters. Im übrigen werden für sehr viele repräsentative Umfragen jedes Mal 2.000 Personen befragt. Die Befragung wurde nach der CASI/CAPI-Methode durchgeführt. Angestrebter Abschluss: 41 % Bachelor, 35 % Master/Magister, 17 % Staatsexamen, 5 % Promotion und 2 % Sonstige.