Arbeitgeber-Rankings nein – Arbeitgeber-Bewertungen ja

Das ist meine ganz persönliche Meinung zu der inflationären Verbreitung alljährlicher Arbeitgeber-Rankings. Diese sind im Aufwind und beeinflussen immer mehr Bewerber bei der Entscheidung für einen Arbeitgeber. Natürlich möchte jeder Beschäftigte beim besten Arbeitgeber tätig sein. Es erinnert aber so ein wenig an die Situation im Boxsport, bei dem es zwischenzeitlich mit dem WBA, WBC, IBF und WBO – im Gegensatz zu anderen Sportarten – vier Verbände gibt und wo natürlich jeder dieser Verbände auch sein eigenes Ranking hat. Das (gewünschte) Ergebnis: Es gibt damit gleich vier (!) Weltmeister in einer Gewichtsklasse. Und so scheint es auch bei den Arbeitgebern zu sein. Es reicht nicht, jährlich nur einen besten Arbeitgeber zu küren. Nein, es müssen gleich mehrere sein. Und genau darauf achten die Ranking-Lieferanten offenbar peinlich genau. Jeder hat einen anderen „Weltmeister“ an der Spitze seiner jeweiligen Bestenliste.

Bei LinkedIn steht Siemens ganz oben auf dem Treppchen, bei Glassdoor ist es Roche, die Nummer eins von Trendenz ist Daimler, bei Kununu sind es Tecis Finanzdienstleistungen und Statista hält Lindt & Sprüngli für den besten Arbeitgeber Deutschlands (siehe Tabelle).

Da alle fünf Ranking-Lieferanten nicht nur unterschiedliche Bewertungskriterien verwenden, sondern auch unterschiedliche Zielgruppen befragen, veröffentlichen sie auch unterschiedliche Hitlisten. Das führt dann dazu, dass die Firma Siemens bei LinkedIn auf Rang 1, bei Glassdoor auf Rang 5, bei Kununu auf Rang 17 und bei Statista auf Rang 50 landet. Ja, was denn nun: Rang 1, Rang 5, Rang 17 oder Rang 50? Welches Ranking ist richtig?

Der Unterschied zu den Boxverbänden besteht allerdings darin, dass es neben diesen fünf genannten noch mindestens vier weitere namhafte Ranking-Lieferanten gibt, nämlich Great-Place-to-Work, Staufenbiel, Absolventa und Universum. Diese haben ihre Rankings noch deutlich weiter ausdifferenziert, so dass letztlich pro Anbieter nicht nur ein Ranking, sondern gleich mehrere Bestenlisten existieren.

So sortiert Great place to work die Top-Arbeitgeber nach Betriebsgrößenklassen (über 5.000 Beschäftigte, 2.000 bis 5.000 Beschäftigte etc.). Absolventa und Universum weisen ihre Bestenlisten nach der jeweiligen Studienrichtung (Wirtschaftswissenschaftler, Informatiker, Ingenieure etc.) aus. Staufenbiel schließlich produziert eine Rangliste der beliebtesten Arbeitgeber speziell für Wirtschaftswissenschaftler. Grundlage der meisten Ranglisten sind Umfragen. Dabei füllen Studierende, Absolventen, Bewerber oder Mitarbeiter Fragebögen aus und schicken diese anschließend an die Organisatoren zurück, die diese auszählen und auswerten.

Der Großteil der Befragten (z. B. Studierende oder Bewerber) können aber letztlich gar keine fundierte Aussage über Arbeitgeber machen, bei denen sie noch keine wirkliche Berufserfahrung sammeln konnten. Ebenso interessieren bei solchen spezialisierten Befragungen Themen wie Berufserfahrung, Praktika oder Sprachkenntnisse nicht. So verwundert es also nicht, dass sich dort oft Firmen mit sehr bekannten Produktmarken wieder finden – was deren Attraktivität naturgemäß fördert. Das Verfahren verstärkt also vor allem die Beliebtheit großer und bekannter Marken und Unternehmen. Das Nachsehen haben kleine und weniger bekannte Arbeitgeber, die aber mindestens genauso gut sein können.

Zwischenfazit: Solche Arbeitgeber-Rankings braucht kein Mensch, nur die Arbeitgeber selbst. Zumindest für die größeren Arbeitgeber gehört es zur Selbstverständlichkeit ihrer Corporate Identity, in solch wenig sinnstiftenden Bestenlisten vertreten zu sein – selbst wenn die Teilnahme an manchen Rankings Geld kostet.   

Damit sind wir bei einem der größten Kritikpunkte bei den Arbeitgeber-Bewertungsplattformen. Kununu und Glassdoor, die wohl bekanntesten Plattformen, arbeiten grundsätzlich mit Bezahlmodellen. Damit können sich die Arbeitgeber gegen Entgelt ein zusätzliches Unternehmensprofil einrichten und sich gegenüber den Interessenten wie Studierende, Absolventen oder Berufseinsteiger entsprechend aufhübschen – was nicht unbedingt zur Objektivität der Bewertungen beiträgt.

Trotzdem: Eine repräsentative Umfrage, die der Digitalverband Bitkom im Frühjahr 2021 (also in diesen Tagen) durchgeführt hat, zeigt, dass sich knapp die Hälfte (47 Prozent) aller Internetnutzer online über Bewertungen von Arbeitgebern informieren. Das sind 11 Prozentpunkte mehr als vor drei Jahren (36 Prozent). Wie ein Arbeitgeber beurteilt wird, hat auch Auswirkungen auf die Entscheidung für oder gegen einen Job: 44 Prozent der Befragten, die sich über einen Arbeitgeber informiert haben, lassen sich in der Entscheidung durch die Bewertungen beeinflussen. 12 Prozent haben sich aufgrund der Arbeitgeberbewertungen im Internet sogar gegen den möglichen Wechsel entschieden.

Diese Zahlen zeigen, wie wichtig es sein kann, sich mit der Thematik auseinander zu setzen und den Bewertungsportalen – insbesondere auch angesichts der Situation auf dem Arbeitsmarkt – entsprechende Beachtung schenken. Trotzdem sollten sich die Nutzer auch die Mängel solcher Portale bewusst machen:

Neben dem gravierenden Kritikpunkt „Bezahlmodell“ richtet sich die Kritik vor allem auf den Umgang mit den individuellen Bewertungen.  Die Bewertungen lassen sich auf den Portalen nämlich nicht manuell löschen oder ändern. Das hat zwar den Vorteil, dass Bewertungen glaubhafter sind und Unternehmen nicht einfach schlechte Wertungen löschen können. Andererseits bleiben schlechte Bewertungen dauerhaft auf dem entsprechenden Arbeitgeberprofil, obwohl der Arbeitgeber bereits längst entsprechende Veränderungen veranlasst hat. Auch muss leider festgestellt werden, dass Überblick und Handhabung einzelner Plattformen den Online-Nutzer schlichtweg überfordern. Schließlich ist noch anzumerken, dass es doch immer wieder vorkommt (und es sich wohl auch nicht vermeiden lässt), dass ehemalige Mitarbeiter ihren Frust ablassen oder gerade beförderte Personen eine ausgiebige positive Bewertung hinterlassen. Beide Kommentare entsprechen dabei wohl kaum der Realität, finden jedoch Eingang in die Gesamtbewertung. 

Fazit: Im Gegensatz zu den unnötigen Arbeitgeber-Rankings haben die Arbeitgeber-Bewertungsportale durchaus ihre Berechtigung. Leider funktionieren solche Portale aber offenbar nur, wenn sich die Arbeitgeber mit entsprechenden finanziellen Beihilfen beteiligen. Und das verleiht dem ansonsten ordentlichen Menu einen bitteren Beigeschmack. Schließlich geht es ja auch um Neutralität und Objektivität.

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