Ist Aldi der Tabu-Brecher oder doch ein ganz anderer?

Wir alle konnten es lesen: „Aldi bricht deutsches Rabatt-Tabu“. Der Discounter, der bislang nur Kosmetik-Eigenmarken im Sortiment hatte, bietet erstmals Sonderangebote für Markenartikel aus dem Kosmetikbereich an. Es handelt sich dabei um Produkte der Marke Nivea. Stoßrichtung des Preiskampfes sind offensichtlich die Drogerieketten, aber auch Discount-Konkurrent Lidl.

So ganz neu ist der Tabu-Bruch allerdings nicht, denn schon seit geraumer Zeit führt Aldi mit Produkten von Ferrero (Duplo, Überraschungsei, Raffaello), Haribo, Red Bull, Coca Cola oder Henkel (Henkel Beauty Wochen mit Taft, Fa und Spee) ohnehin schon einige bekannte Markenartikel im Sortiment – allerdings noch in einem überschaubaren Maße. Discount-Konkurrent Lidl, der schon seit Jahren preisgünstige Markenartikel anbietet, ist da schon viel weiter. Aldi setzte jahrelang auf günstige Eigenmarken, die aber häufig von den etablierten Herstellern produziert wurden, um günstiges Einkaufen in guter Qualität sicherzustellen. Lidl setzte dagegen schon viel früher auf Markenartikel. Damit konnten beide gut leben. Doch jetzt scheint der Burgfrieden vorbei zu sein.

Doch bei näherer Betrachtung ist es vielleicht gar nicht der Discounter aus dem Hause Albrecht, der hier ein ungeschriebenes Rabatt-Tabu bricht. Ist es nicht vielmehr der Kosmetik-Hersteller Beiersdorf aus Hamburg? Vor über 100 Jahren hatte das Hamburger Unternehmen die ersten Hautcreme-Dosen mit dem typischen Blau ausgeliefert und mit einem genialen Marketing zu dem gemacht, was es heute ist: der Markenartikel der Kosmetikbranche schlechthin.

Jeder Marketing-Studierende lernte, dass sich der „klassische“ Markenartikel nicht nur durch gleichbleibend hohe Qualität, sondern auch durch „gleichbleibende Preise“ auszeichnet. Und genau diesen gleichbleibenden Preis opfert jetzt der Hamburger Markenartikler, um in die Regale des Discounters aus Essen zu gelangen. Der Tabu-Brecher ist also in diesem Fall nicht der Händler, sondern der Hersteller. Der Marketing-Studierende muss demnach umlernen. Eine gut geführte Herstellermarke war aus preispolitischer Sicht immer so etwas wie eine Produktversicherung für den Hersteller. Zwar ist die Preisbindung zweiter Hand (mit wenigen Ausnahmen) längst Geschichte, aber der Markenartikelhersteller legt schon sehr großen Wert darauf, dass der Einzelhandel die Preise und damit die Margen für den Hersteller konstant hält. Und genau diese Haltung der Hersteller führte zum Aufkommen der Händlermarken, die den Herstellermarken im vertikalen Wettbewerb um die Regalplätze mehr und mehr zusetzen. Allerdings werden – wie oben bereits erwähnt – diese Eigenmarken der Händler häufig von den klassischen Herstellern als sogenannte Zweitmarke produziert. So hatte der vertikale Markenwettbewerb augenscheinlich zwei Sieger – den Händler und den Hersteller.

Jetzt hat es aber den Anschein, als gäbe sich eine der stärksten Herstellermarken im Wettbewerb geschlagen. Und es wird nicht die letzte Niederlage sein. Auch internationale Hersteller wie Kraft/Heinz oder Nestlé versuchen mit ihren namhaften Markenartikeln bei Aldi Fuß zu fassen – wohl wissend, dass sie dadurch die Preishoheit über ihre Produkte verlieren. Letztlich zählt der Regalplatz. Offensichtlich zum Wohl für den Verbraucher – schließlich gelten die Deutschen als die Schnäppchenjäger Europas.

2 Kommentare

  1. Mich würde es sehr interessieren, wie hoch die allgemeine Gewinnmarge für Aldi u.ä. Discounter beim Verkauf von hauseigenen vs. dem Verkauf von Markenprodukten ist und ob der durchschnittliche Kunde derartige Preisnachlassaktionen auch als massiven Tabubruch wahrnimmt.
    Mir ist seit letzter Zeit auch aufgefallen, dass z.B. Kaufland im wöchentlich wechselnden Zyklus Markenprodukte zu enormen Rabatten verkauft. (So kostete in dieser Woche eine 400g Tafel Milka-Schokolade nur 1,89€ im vergleich zu den üblichen 3,5-4€)

    • Ich denke, dass der Kunde solche Maßnahmen kaum als massiven Tabubruch wahrnimmt – und wenn doch, dann lastet er diesen nicht dem Discounter, sondern dem Hersteller an.

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