Wir konnten es unmittelbar hintereinander in den LinkedIn Nachrichten lesen: „DAX-CEOs verdienen 52mal so viel wie Ihre Mitarbeiter“ und „Fast jede zweite Rente ist geringer als 800 Euro“. Dies ist sicherlich ein zufälliges Beispiel, aber es macht einmal mehr deutlich, wie Reichtum und Armut in unserem Land zunehmend auseinanderklaffen.
Absolute vs. relative Gehaltshöhe
Konzentrieren wir uns auf die DAX-Vorstände. Deren Durchschnittsgehalt beträgt nach einer Studie der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) und der TU München derzeit 3,6 Millionen Euro. Die durchschnittliche Gesamtvergütung der jeweiligen Vorstandsvorsitzenden liegt sogar bei 5,8 Millionen Euro. Spitzenverdiener ist SAP-CEO Bill McDermott mit einem Jahressalär von 12,9 Millionen Euro. Doch während früher die absolute Höhe der Vorstandsgehälter in der Kritik der öffentlichen Meinung stand, ist es heute mehr die Relation zwischen Vorstandsgehalt und durchschnittlichem Mitarbeiterlohn. Doch ob die Vorstände nun das 20-Fache, das 50-Fache oder gar das 100-Fache eines Angestellten verdienen – wer setzt hier den Maßstab?
Gerechtigkeit als Hygienefaktor
Das entscheidende Kriterium für die Akzeptanz von Gehältern bei Mitarbeitern ist Gerechtigkeit. Die „faire Vergütung im Vergleich zu Kollegen“ ist zweifellos der entscheidende Hygienefaktor aller Anreiz- und Vergütungssysteme. Doch so ganz einfach ist das mit der Gerechtigkeit nicht, denn: Viele Mitarbeiter empfinden ihr Gehalt als gerecht. Andere Mitarbeiter dagegen stufen ihr monatliches Salär als ungerecht ein. Diese Empfindungen beruhen aber nicht auf einem Vergleich auf Basis der absoluten Gerechtigkeit, sondern auf Grundlage einer relativen Gerechtigkeit – nämlich im Vergleich zu den Kollegen, zum Branchendurchschnitt, zur Leistung, zum Alter oder auch zur individuellen Ausbildung. Wenn wir also im Zusammenhang mit Gehaltsfragen von Gerechtigkeit sprechen, dann unterstellen wir automatisch die relative Gerechtigkeit als Maßstab. Und auch nur die relative Gerechtigkeit provoziert Neid und Unbehagen.
Relative vs. absolute Gerechtigkeit
Und damit sind wir beim entscheidenden Punkt: In aller Regel werden die Vorstandsgehälter von den Mitarbeitern nicht der relativen, sondern der absoluten Gerechtigkeit zugeordnet. Und in diesem Fall haben die Mitarbeiter zumeist auch kein Problem mit der Gehaltshöhe ihrer Vorstände. Ebenso wie sie keine Probleme mit den exorbitant hohen Gehältern der fußballspielenden Bundeligaprofis haben.
VW, Deutsche Bank, AirBerlin, Mannesmann
Es ist aber immer dann eine Hygienefrage, wenn die betreffenden Vorstände mit schlechten Leistungen aufwarten. So geschehen beim Abgasskandal des VW-Konzerns, bei dem der Vorstand seiner ökologischen, sozialen und ökonomischen Verantwortung und damit der Maxime einer nachhaltigen Unternehmensführung (CSR) nicht nachgekommen ist. So geschehen bei der Deutschen Bank, wo der Vorstand kurzfristigen Gewinn auf Kosten der Zukunft maximierte. So geschehen bei AirBerlin, wo Tausende von Mitarbeitern das falsche Geschäftsmodell ihres Vorstandes („Stuck in the middle“) mit dem Verlust ihres Arbeitsplatzes bezahlen mussten. So geschehen bei Mannesmann, wo die persönlichen Bonus-Ambitionen des Vorstandsvorsitzenden rund um die zukunftsweisenden D2-Aktivitäten zum Ausverkauf einer Schlüsseltechnologie führte.
Struktur der Vergütung
Bei näherer Betrachtung ist es in den meisten Fällen die Zusammensetzung, also die jeweilige Struktur der Vergütung, die Anlass zu massiver Kritik gibt. Anmerkung: Die Vergütung setzt sich in den meisten Fällen aus den drei Bestandteilen Fixvergütung, variable Vergütung (Bonus) und aktienkursbasierte Vergütung zusammen. Derzeit beträgt nach Angaben der DSW die Fixvergütung durchschnittlich 31,4 Prozent, die Bonus-Zahlungen 41,4 Prozent und der aktienkursorientierte Anteil trägt mit 27,2 Prozent zur Gesamtvergütung bei. Es sei nur am Rande vermerkt, dass Pensionen und nicht unbeträchtlichen Abfindungszahlungen noch hinzukommen (können).
Variable Gehaltsbestandteile in den Griff bekommen
Die Frage ist also, wie sich insbesondere die variablen Gehaltsbestandteile begrenzen lassen, denn exorbitant hohe, als ungerecht empfundene Bonuszahlungen führen immer wieder zu Diskussionen. Dabei lassen sich solche Boni durch eine entsprechende Deckelung sehr leicht einschränken. Auch die aktienkursorientierte Vergütung muss nicht – anders als seinerzeit im Fall Esser – durch die Decke schießen, wenn entsprechende Vorkehrungen (z.B. durch die Vorgabe von Bandbreiten) getroffen werden. Bleibt schließlich noch das Fixgehalt. Hier ließe sich eine Kopplung an die durchschnittliche Gehaltserhöhung des jeweiligen Unternehmens ins Auge fassen. Ein möglicher Effekt: Die Manager haben ein Interesse daran, dass das Durchschnittsgehalt im Unternehmen nicht abfällt. Auch der SPD-Vorschlag, die steuerliche Absetzbarkeit der Vorstandsbezüge als Betriebskosten (z.B. bei 500.000 Euro) zu deckeln, ist zu diskutieren. Es gibt also genügend Möglichkeiten, Gehaltsexzesse einzudämmen.
Internationaler Gehaltsvergleich
Kommen wir zur Ausgangsfrage zurück: Verdienen unsere DAX-Vorstände zu viel? Nun, im internationalen Vergleich kassieren die DAX-Bosse moderat mehr als ihre französischen Kollegen der CAC 40-Unternehmen. Andererseits liegen die deutschen Vorstände deutlich hinter den US-amerikanischen Unternehmenslenkern zurück. Daher wird der Vergleich zur Bezahlung der US-Manager immer wieder als Argument für etwaige Gehaltsaufbesserungen der deutschen Wirtschaftsbosse herangezogen. Doch wie stichhaltig ist dieses Argument wirklich? Zunächst ist festzuhalten, dass die amerikanischen Manager unter ganz anderen vertraglichen Rahmenbedingungen (z.B. üppige Aktienoptionen) arbeiten. Weiterhin muss man sehen, dass es unter den nichtdeutschen Fortune-500-Unternehmen nur ein einziger deutscher Manager (nämlich Ex-Siemens-CEO Klaus Kleinfeld) an die Spitze eines ausländischen Konzerns (Alcoa) geschafft hat(te). Unter den Unternehmenslenkern sieht der Markt nämlich deutlich anders aus als zum Beispiel im Fußballgeschäft, wo deutsche Fußballer auch im Ausland Spitzengehälter beziehen (können). Wenn also ein deutscher Spitzenmanager damit Druck machen sollte, bei einer schlechteren Bezahlung ins Ausland zu gehen, dann sollte er das nur tun (er findet ohnehin keinen Spitzenjob!). Mit vielleicht einer Ausnahme: SAP-Chef Bill McDermott, der aber ohnehin die Liste der Spitzenverdiener unter Deutschlands Vorständen anführt (siehe oben).
Nicht der Staat, sondern die Aufsichtsräte tragen die Verantwortung
Mit anderen Worten, deutsche Spitzenmanager sind – Ausnahmen bestätigen die Regel – international nicht wirklich gefragt. Und weil das so ist, liegt es nicht an unserem Staat, sondern einzig und allein an den Aufsichtsräten, die ja für die Vorstandsgehälter zuständig sind, dem etwaigen Druck der Vorstände zu widerstehen. Es ist also an den Aufsichtsräten, endlich Verantwortung zu übernehmen und mit einer moderaten Vergütungspolitik die Gehaltsgrenzen der Vorstände nicht ausufern zu lassen.
Ich persönlich habe meine Probleme mit der „CEO verdient xy mal so viel wie die Angstellten“-Kritik. Zunächst einmal ist das relative Boss-zu-Angestelltengehaltsverhältnis kein wirklich sinnvolles Maß, da die Höhe dieses Verhältnisses schon zum großen Teil einmal der Natur des jeweiligen Geschäftsmodells geschuldet ist. Mcdonalds ist ein riesiger Konzern, ebenso wie Microsoft. Beide CEOs verdienen vergleichbare Gehälter (ca. 21 Mio vs 11 Mio) und beide haben vergleichbare Aufgaben. Doch McDonalds beschäftigt hauptsächlich niedrigqualifizierte Arbeitskraft und Mircosoft hochqualifizierte.
In den USA brach bzgl. Managergehältnern eine riesige Diskussion in Kontext von Wallmart aus. Der CEO verdient ca. 20 Mio.$ im Jahr und der druchschnittliche Angestellte 19.000$, was wirklich nicht viel ist. Was mich hier stört, ist die Implikation, dass die Mitarbeite so wenig verdienen, weil die Unternehmensführung so viel verdient. „Die Reichen nehmen den Armen weg“. Tja, leider hat Wallmart ca. 2,2 Mio Mitarbeiter. Kurz überschlagen: selbst wenn der Wallmart CEO, Doug McMillon, völlig kostenfrei gearbeitet hätte, hätte jeder Mitarbeiter gerade mal 9$ im Jahr davon haben können. Wirklich helfen würde das nicht. Damit niedrigqualifizierte mehr verdienen können, müssten Konsumenten bereit sein, höhrere Preise zu zahlen.
Fakt ist: hauptsächlich macht die Produktivität des Indiviuums seine Entlohnung aus und Top-CEOs sind in ihren 90-Stunden-Wochen so unglaublich effizient und ihre Arbeitskraft so gewinnbringend für ihre Unternehmen, wie manch jemand in seinem ganzen Leben zusammengenommen nie sein könnte könnte (Ich schließe mich da völlig ein). Fakt ist: in Mega-Konzernen ist die Anzahl der Mitarbeiter so hoch, dass es kaum bis keinen Unterschied auf dem Gehaltscheck des Angestellten macht, ob sein Unternehmen 1 Mio oder 20 Mio als Bonus für den Vorstand zahlt. Fakt ist auch, dass die Topmanagerdebatte vom „Superstar“-Phänomen geplagt wird, dass unsere Wahrnehmung völlig verzerrt: auf jeden CEO, der 60 mal so viel wie seine Mitarbeiter verdient, kommen 500 Geschäftsleiter von Mttelständischen und Kleinunternehmen, die „normale“ Gehälter einstreichen.
Ich vermute, das Fass „Ungleichheit durch CEO-Gehälter“ wurde rein aus politschen Gründen aufgemacht, „Arm gegen Reich“, „Managergehälter deckeln“ etc. sind nunmal herrlich populistische Themen, bei denen kein Poltiker auf der Seite der „wenigen Superreichen“ gesehen werden möchte. Schließlich ist es viel reizvoller sich vor die Kamera zu stellen, von der „Schere“ zu reden, dem Wähler zu sagen „Du bist vollkommen im Recht, wütend zu sein!“ und eine abstrakte Art von „Gleichheit ist Gerechtigkeit“ zu fordnern.
Ich finde es schon wichtig, dieses Thema zu diskutieren. Allerdings sollte man vielleicht auch einmal die Verantwortung, die der CEO eins Großunternehmens hat bzw. haben sollte thematisieren. Hier ist m. E. viel mehr Gesprächsbedarf, denn für mich gibt es eine riesige Diskrepanz zwischen der Selbsteinschätzung der Manager im höchsten Segment und der öffentlichen Wahrnehmung. Beispiele gefällig? Herr Winterkorn hat völlig unterschätzt, wie sich die Praktiken von VW rund um den Diesel-Skandal auswirken würden. Oder auch Herr Müller, ebenfalls VW-Konzern, der ja meinte, ihm stünde ein Riesensalär zu, weil er ja täglich mit einem Bein im Gefängnis stünde, aber dann nicht wirklich die Konsequenzen für die geschehenen Fehler auf sich nehmen will. Haben nicht Ärzte, Kranken- und Altenpfleger oder Feuerwehrleute und viele andere im Sozialbereich arbeitende Menschen nicht eine mindestens ebenso große Verantwortung? Da wird aber um jeden Cent, der in deren Geldbeutel fließen könnte erbittert gestritten.
Es ist doch immer mehr so, das in den Großunternehmen die Gewinne hübsch im Unternehmen bleiben, Steuern weitestgehend vermieden werden und bei eventuellen Verlusten nach Hilfen des Staates, also der Allgemeinheit und des „kleinen“ Steuerzahlers gerufen wird.
Soziale und unternehmerische Verantwortung für die Mitarbeiter oder auch unternehmerisches Risiko sind doch für viele dieser hochbezahlten Herren heute ein Fremdwort.