
Die BCG-Matrix ist wohl das bekannteste und bei vielen Beratern, Managern und auch BWL-Studierenden das beliebteste Tool. Es ist sehr einfach in der Handhabung und auch die Datenbeschaffung macht keine großen Probleme. Soweit zum Glanz des Tools. Problematisch dagegen ist seine Aussagekraft – und darum geht es ja schließlich.
Grundlage der BCG-Matrix, die auch als 4-Felder-Matrix oder auch als Marktanteils-Marktwachstums-Matrix bezeichnet wird, ist die Portfoliotechnik, die hier auf den Annahmen des Lebenszykluskonzepts und der Erfahrungskurve von Produkten aufsetzt. Die beiden Ordinaten der Matrix bilden das Marktwachstum und der relative Marktanteil sowie deren Unterteilung in niedrig und hoch. Der relative Marktanteil ergibt sich aus dem eigenen Marktanteil dividiert durch den Marktanteil des stärksten Wettbewerbers. Errechnet sich daraus für ein Unternehmen ein Wert >1, so ist dieses Produkt der Marktführer (siehe Abbildung 1).
Abbildung 1
Je nach Positionierung ist jedes Produkt bzw. jede Strategische Geschäftseinheit (SGE) einem der vier folgenden Felder zugeordnet:
- Fragezeichen (Question marks) sind Produkte, die sich in der Einführungsphase befinden. Ihr relativer Marktanteil ist gering, die Stückkosten und das Marktwachstum dagegen hoch.
- Sterne (Stars) sind Produkte, die sich in der Wachstumsphase befinden. Sie verfügen über einen hohen relativen Marktanteil, über ein hohes Marktwachstum und niedrige Stückkosten.
- Melkkühe (Cash cows) befinden sich in der Reifephase. Sie zeichnen sich durch einen relativ hohen Marktanteil bei niedrigen Stückkosten aus. Das Marktwachstum ist gering.
- Arme Hunde (Poor dogs) sind bereits länger auf dem Markt. Sie haben hohe Stückkosten, ihr relativer Marktanteil und das Marktwachstum sind gering.
Auf der Grundlage dieser Portfolio-Ableitung leitet die BCG (Boston Consulting Group) nunmehr sogenannte Normstrategien ab. Und genau hier liegt der Hase im Pfeffer! Insbesondere wenn man die Produktportfolios verschiedener Anbieter für einen Markt zusammenlegt, wird die Schwäche der BCG-Matrix deutlich. Ein Beispiel aus dem Smartphone-Markt mit Original-Zahlen aus dem Jahr 2016 und hier mit den beiden erfolgreichsten Produkten iPhone von Apple und Galaxy von Samsung soll dies verdeutlichen (Abbildung 2):
Abbildung 2
Sogar dem größten ökonomische Laien ist bekannt, dass Apple mit dem iPhone unmöglich einen „Armen Hund“ in seinem Portfolio hat. Im Gegenteil, der Erfolg des umsatzstärksten Unternehmens der Welt basiert hauptsächlich auf den Verkaufszahlen des iPhone. Für mich ist das iPhone das erfolgreichste Produkt überhaupt. Insofern ist die obige Darstellung eine Farce. Noch schlimmer ist sogar die Normstrategie, also die empfohlene Strategie der BCG für diesen „Armen Hund“ namens iPhone: „Eine schwache Position in einem stagnierenden Markt. Marktanteile können nur von Konkurrenten kommen – abstoßen!“
Nun lassen sich durchaus zwei seriöse Einwände gegen die Darstellung mit dem iPhone als „Armen Hund“ anführen:
Erster Einwand: Die allermeisten Berechnungen des relativen Marktanteils eines Produkts bzw. einer Strategischen Geschäftseinheit erfolgen auf Basis des Umsatzes – also wertmäßig – und nicht auf Grundlage von Stückzahlen. Da bekannt ist, dass das iPhone regelmäßig deutlich teurer ist als Galaxy von Samsung, würde sich die Marktführerschaft wahrscheinlich umkehren, d.h. Samsung wäre der „Arme Hund“ und Apple die „Cash cow“ im Smartphone-Markt. Auch das wäre – für das damalige Jahr 2016 – als höchst weltfremd zu bezeichnen.
Zweiter Einwand: In der obigen Darstellung ist die Trennlinie zwischen niedrigem und hohem Wachstum bei 4 Prozent gezogen und damit liegt das Marktwachstum von 2,5 Prozent im Jahre 2016 im niedrigen Bereich. Das bedeutet, dass grundsätzlich alle Smartphones in diesem Jahr zu den „Armen Hunden“ gehören – mit Ausnahme des Marktführers, der den „Cash cows“ zuzurechnen ist. Nun könnte man die Trennlinie auch z. B. bei zwei Prozent ziehen, so dass dann alle Smartphones – mit Ausnahme des Marktführers – zu den „Fragezeichen“ gehören würden. Das wäre in diesem Fall aber nicht realistisch, denn im Jahr zuvor, also in 2015, betrug das Smartphone-Wachstum noch 10,4 Prozent und in 2013 sogar noch 27,7 Prozent. Angesichts dieser Marktentwicklung muss das 2,5-prozentige Wachstum also im „niedrigen“ Bereich liegen.
Der zweite Einwand macht zwei Schwächen der BCG-Matrix ganz besonders deutlich. Zum einen zählen die Nummer zwei oder drei, also die unmittelbaren Verfolger des Marktführers niemals zu den „Stars“ und den „Cash cows“, sondern immer nur zu den „Fragezeichen“ oder zu den „Poor dogs“. Das ist aber angesichts der BCG-Normstrategien höchst unrealistisch. Um dies ein wenig auszugleichen, muss die horizontale Trennlinie in jedem konkreten Einzelfall neu ermittelt werden und kann sich bei verändertem Marktwachstum im Zeitablauf auch verschieben. Aber genau das ist wiederum die zweite Schwäche, da es der Willkür des Analytikers obliegt, wo die Trennlinie zu ziehen ist.
Es gibt noch eine Reihe weiterer Kritikpunkte, die gegenüber der BCG-Matrix in Felde geführt werden. Dabei steht insbesondere die Reduktion aller internen und externen Einflussfaktoren auf lediglich zwei Parameter in der Kritik. So werden die strategie-beeinflussenden Faktoren in einem Höchstmaß verdichtet – und zwar die Unternehmenskomponenten auf den relativen Marktanteil und die Umweltkomponente auf das Marktwachstum. Diese hohe Verdichtung ist einerseits zwar das Besondere der 4-Felder-Matrix, andererseits bleiben Innovationen, Technologien, Verbundeffekte, Allianzen u.a. unberücksichtigt. Welche Folgen die Vernachlässigung solcher Faktoren hat, zeigt sich ganz besonders am Beispiel von Apples iPhone.
Die kritische Auseinandersetzung mit der Marktanteils-Marktwachstums-Matrix hat zur Entwicklung weiterer Ausprägungen der Portfolio-Analyse geführt. Besonders hervorzuheben sind die Marktattraktivitäts-Wettbewerbsstärke-Matrix von McKinsey mit neun Feldern und die Marktlebenszyklus-Wettbewerbsposition-Matrix von Athur D. Little mit 20 Feldern geführt.
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