
Eine solch provokante Aussage höre ich von meinen Bachelor-Studierenden immer wieder. Letztlich ist dieser Eindruck aber wohl nur eine Ausprägung der überwiegend als mäßig bezeichneten Lehre in den Wirtschaftswissenschaften. Denn nicht nur die Studierenden, sondern auch die Lehrenden selbst wissen oft um die mangelnde Qualität der Lehre. Das liegt aber ganz offensichtlich am Hochschulsystem, in dem nur derjenige Wissenschaftler zählt, der fleißig forscht und publiziert.
Die Unis verlangen von ihren Hochschullehrern gute Leistungen in der Forschung und das Einwerben von Drittmitteln, so dass die Lehre nebenher laufen muss. Es gibt sogar Unis, an denen das Einwerben von Drittmitteln und der Umfang von Forschung und Publikationen in Zielvereinbarungen festgelegt werden. Angesichts solcher Anreizsysteme für Professoren ist es natürlich kein Wunder, dass die Lehre hinten runterfällt.
Das humboldtsche Ideal der Einheit von Forschung und Lehre leidet ganz offensichtlich unter Schieflast – zumindest im Bachelor-Studium der Wirtschaftswissenschaften, das mit Abstand meistgewählte Studium in Deutschland.
Man kann es auch noch deutlicher sagen: Derartige Anreize befeuern mehr die eigene Reputation der Dozenten als die überaus wichtige und verantwortungsvolle Aufgabe, ihr erworbenes Wissen über komplexe Zusammenhänge in eine verständliche Sprache für den akademischen Nachwuchs nachhaltig zu übersetzen. Begeisterung, Wertschätzung und Offenheit sollten dabei wichtige Kompetenzen der Lehrenden sein, um mit der Generation Z in einen fruchtbaren Gedankenaustausch zu kommen.
Doch damit ist nur das didaktische Problem in der Lehre angesprochen. Auch inhaltlich sollten sich die Wirtschaftswissenschaftler darüber im Klaren sein, dass die allermeisten ihrer Studierenden keine Forscher werden, sondern ihren Platz in der Praxis finden werden. Daher ist es unabdingbar, dass sich unsere Dozenten ein wichtiges Rüstzeug auch in der Praxis holen.
Wie sollen Fächer wie „Unternehmensführung“ oder „Personalmanagement“ glaubhaft angeboten werden, wenn die Lehrenden eine Firma nur im Rahmen eines Praktikums kennengelernt und nicht einmal ansatzweise eine Abteilung oder gar ein Unternehmen geführt haben. Beim Ruf auf Professorenstellen spielt die praktische Erfahrung aber nur eine untergeordnete Rolle. Berufungskommissionen setzen nämlich weiterhin auf Forschungserfolge und Publikationen der Kandidaten.
Nun ist es aber auch nicht so, dass die „systemische Unterbewertung der Lehre“ von Bund und Ländern nicht erkannt worden wäre. Mit dem bereits 2011 gestarteten „Qualitätspakt Lehre“ flossen bis 2020 immerhin zwei Milliarden Euro aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) – also Zweitmittel – in Projekte zur Verbesserung der Lehre an deutschen Hochschulen. Und selbst durch die Evaluierung der Lehre, die inzwischen obligatorisch ist, hat sich keine großartige Verbesserung der Lehre eingestellt.
Der offensichtliche Misserfolg aller bisherigen Maßnahmen zur nachhaltigen Verbesserung der Lehre bei den Wirtschaftswissenschaften lassen sich aus meiner Sicht auf zwei Hauptgründe zurückführen. Zum einen ist es die hartnäckige, aber fatale Erkenntnis innerhalb des Wissenschaftlerzirkels, dass sich Prestige und Aufstieg vorrangig nur über Forschungs- und Publikationserfolge und nicht über gute Lehre erzielen lassen. Zum anderen ist es die mangelnde praktische Erfahrung universitärer Dozenten und der falsche Umgang mit der Generation Z. Wohlgemerkt: Ich spreche über die Wirtschaftswissenschaften.
Die mangelnde Qualität der wirtschaftswissenschaftlichen Lehre an Universitäten bildet zusammen mit der Bologna-Reform auch zugleich den Nährboden für die immer stärkere Akzeptanz der Privathochschulen. Denn diese zeichnen sich nicht nur durch kleinere Hörsäle aus, sondern durch eine praxisorientierte Lehre mit einem Dozentenstab, der für die Lehrbefähigung einige Jahre Praxis – möglichst auch mit Führungsverantwortung – nachweisen muss.
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