Stellen Sie Ihre Personalauswahl auf den Kopf: Fünf Empfehlungen zu einem effektiveren Personalauswahlprozess

Erste Empfehlung: Verlagern Sie einen Teil des Budgets von der Personalentwicklung hin zur Personalauswahl!

Seit Jahren stehen Führungskräfteentwicklung und Talentmanagement ganz oben auf der Agenda der Personalmanager – und das zu Recht. Die Frage ist nur, ob die damit verbundenen Investitionen in Zeit und Geld für die Führungs- und Führungsnachwuchsentwicklung auch dort richtig angesiedelt sind. Denken Sie doch einmal darüber nach, ob nicht ein Teil des Personalentwicklungsbudgets besser in einen effektiveren Personalauswahlprozess anstatt in spätere, oft mühsame Personalentwicklungsmaßnahmen mit Reparaturcharakter investiert werden sollte. Meine Empfehlung daher: Schichten Sie einen Teil der Personalentwicklungsgelder in den Personalauswahlprozess um.

Zweite Empfehlung: Überzeugen Sie Ihr Personalmanagement davon, den „Tunnelblick“ aufzugeben und nicht allein die Noten (Master, Bachelor, Abitur) als „Eintrittskarte“ zum Vorstellungsgespräch anzusehen!

Natürlich sind (Abschluss-) Noten nicht unwichtig, sie aber als einziges Zulassungskriterium zum persönlichen Vorstellungsgespräch für Hochschulabsolventen zu missbrauchen, ist häufig kurzsichtig und wenig dienlich, um die richtigen Kandidaten für den ausgeschriebenen Job zu bekommen. Sportliche Bestleistungen, zwei Masterabschlüsse in verschiedenen Bereichen, ein selbstfinanziertes Studium vielleicht sogar über den zweiten Bildungsweg oder berufsbegleitend, ein Engagement als Schul- oder Studierendensprecher, Praktika oder Auslandsaufenthalte, die allesamt vielleicht zu einer etwas schlechteren Durchschnittsnote, aber auch zur Entwicklung der individuellen Persönlichkeit beigetragen haben, sollten den Unternehmen doch mindestens genau so viel Wert sein, wie die Noten mit der „Eins vor dem Komma“. Die Lösung: Laden Sie doppelt so viele Kandidaten zu einem Vorstellungsgespräch ein und berücksichtigen Sie dabei schwerpunktmäßig solche BewerberInnen, die sich durch eine ganz besondere Vita auszeichnen.

Dritte Empfehlung: Stoppen Sie den Wahn nach der Suche nach dem Universalgenie!

Die nächste Empfehlung schließt sich unmittelbar hieran an. Stoppen Sie Ihre Recruiter bei der Suche nach dem Universalgenie, das sich durch umfangreiches Fachwissen und Branchenerfahrung auszeichnet und das gleichzeitig durchsetzungsstark, entscheidungsfreudig, visionär, begeisterungsfähig, sozial kompetent und engagiert, empathisch, multikulturell und teamorientiert ist. Diese Mischung aus Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften, Major bei der Bundeswehr und RTL-Showmaster, die zudem erst ist 24 Jahre alt ist, diverse Auslandsaufenthalte und Praktika vorweisen kann und verhandlungssicheres Englisch spricht, ist seltener als ein Hauptgewinn im Lotto. Trotzdem werden Stellenanzeigen mit der Zielgruppe „Führungsnachwuchs“ so oder so ähnlich immer wieder formuliert.

Vierte Empfehlung: Tauchen Sie im Rahmen von Einstellungsgesprächen möglichst tief in die Persönlichkeit der BewerberInnen ein und verzichten Sie darauf, seine/ihre Sachkompetenz nochmals abzufragen!

Das Einstellungsgespräch lässt sich mit einem Eisberg vergleichen. Bestimmte Eigenschaften sind offensichtlich und liegen über der Wasseroberfläche. Die Mehrzahl der Eigenschaften liegt aber unterhalb der Oberfläche. Die offensichtlichen Eigenschaften wie Ausbildung, Noten, Erfahrung und Wissen gehen aus den Bewerbungsunterlagen hervor und sollten daher nicht nochmals abgefragt werden. Wichtiger als Sachkenntnisse sind in diesem Gespräch jene Eigenschaften, die das Unternehmen erst später zu spüren bekommt. Dazu zählen Einstellungen, Werte, Motivation, Verhaltensmuster, Sensibilitäten oder Loyalität. Erst bei diesen Merkmalen entscheidet sich, ob die (spätere) Führungskraft einen substantiellen Beitrag zur Weiterentwicklung des Unternehmens liefern wird.

Fünfte Empfehlung: Vergessen Sie den Begriff „Stellenbeschreibung“!

Die Stellenbeschreibung (engl. Job Description) liefert Informationen über die Einordnung der Stelle in der Organisationsstruktur, über die Ziele und Aufgaben der Stelle sowie über die Rechte und Pflichten des Stelleninhabers. Soweit, so gut. Allerdings hat die Bedeutung der Stellenausschreibung für solche Unternehmen stark abgenommen, die in innovativen Märkten agieren – und das gilt ja wohl für nahezu alle Unternehmen. Angesichts der wirtschaftlichen Dynamik bleibt nämlich mittel- und langfristig kaum eine Stelle unverändert, so dass viele Unternehmen ohnehin nicht nachkommen, ihre Stellenbeschreibungen ständig auf dem neuesten Stand zu halten. Auch ist es manchmal zweckmäßig, dass eine ausschließlich sachbezogene Stellenbeschreibung einer mehr auf konkrete Personen bezogene Stellenbildung weicht. Dies kann immer dann sinnvoll sein, wenn vorhandene Stellen weiterentwickelt werden oder spezielle Stellen erst geschaffen werden sollen, nachdem man einen bestimmten potenziellen Stelleninhaber kennengelernt hat. Auf diese Weise lässt sich auch ein Talentpool mit einer speziellen Wissens- und Fähigkeitsausrichtung schaffen, um damit besser auf bestimmte Innovationen vorbereitet zu sein. Es ist also ratsam, von Assignments und nicht von Stellen zu sprechen. Stellen sind starr, unbeweglich und statisch. Stellenbeschreibungen sind dementsprechend überflüssig wie ein Kropf. Wichtig ist dagegen das Anforderungsprofil (engl. Job Specification), das als Sollprofil der gesuchten Qualifikation besonders auch zur bewerbergerechten Segmentierung des Arbeitsmarktes dient.

(Ausführliche Informationen zum Personalauswahlprozess finden Sie in „Die Personalmarketing-Gleichung. Einführung in das wert- und prozessorientierte Personalmanagement“, 2. Aufl., De Gruyter Oldenbourg, München 2014)

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