Immer häufiger wird die Frage gestellt, über welche Eigenschaften Führungskräfte im digitalen Zeitalter verfügen sollten. Aber ist das eigentlich die entscheidende Frage? Ist angesichts des zunehmend digitalen Umfelds nicht vielmehr die Antwort auf die Frage wichtig, welche Voraussetzungen eine Führungskraft heute mitbringen sollte?
Beide Fragen stehen für zwei unterschiedliche Auffassungen darüber, was ein erfolgreicher Führungstyp mitbringen sollte. Beide Auffassungen sollen hier – der Einfachheit halber und holzschnittartig – als „deutsche Führungsauffassung“ und als „US-amerikanische Führungsauffassung“ bezeichnet werden.
Beim deutschen Modell geht es um Führungsvoraussetzungen
Das deutsche Führungsmodell geht von der grundsätzlichen Überlegung aus, dass Führungskräfte, die strategische Entscheidungen im digitalen Umfeld treffen müssen, auch über ein sehr tiefgreifendes Wissen in der Digitalisierung verfügen sollten. Wenn man im digitalen Zeitalter – so die These – seinen Mitarbeitern Orientierung geben und in Konfliktsituationen erfolgreich eingreifen will, dann muss man entsprechende Kompetenzen in der Informatik mitbringen oder sich erarbeiten. Ansonsten kann die digitale Transformation mit seinen Herausforderungen überhaupt nicht angemessen verstanden werden und damit können auch keine zukunftsfähigen Entscheidungen getroffen werden. Soweit die „deutsche“ Auffassung, bei der also die Frage nach den Voraussetzungen überwiegt. Allerdings habe ich meine Zweifel, ob angesichts der Halbwertszeit digitaler Technik und digitalen Wissens Führungskräfte überhaupt in der Lage sein können, den immer kürzeren Technik- und Wissenszyklen zu folgen.
Beim amerikanischen Modell geht es um Führungseigenschaften
Im amerikanischen Führungsmodell sind es dagegen mehr die Eigenschaften wie Befähigung, Leistung, Status oder Charisma, die entscheidend für die Führungszuschreibung sind. Hier ist es relativ unwichtig, in welcher Branche oder in welchem Funktionsbereich die Führungslaufbahn gestartet wurde. Entscheidend ist einzig und allein die zugeschriebene Führungsstärke. Ein Beispiel dafür ist die amerikanische Managerin Meg Whitman, die an vorderster Stelle in so unterschiedlichen Unternehmen wie Procter & Gamble, Disney oder Hewlett Packard ihre Führungs- und Durchsetzungsstärke bewiesen hat. Dieses Führungsmodell ist sicherlich auch ein wenig vergleichbar mit der Besetzung von Ministerposten in den verschiedenen deutschen Ministerien. Generell mag der amerikanische Ansatz in Einzelfällen funktionieren, aber ein grundlegendes Erfolgsmuster für Leadership ist er nicht.
Digital (mit)denken – analog lenken
Für mich ist also weder das eine, noch das andere Führungsmodell zukunftsweisend – zumindest nicht in Reinkultur. Mein Favorit ist die hybride Führungskraft, die sowohl im digitalen wie auch im analogen Arbeitskontext Präsenz zeigt. Was heißt das? Mitarbeiter müssen ihre Führungskraft sowohl in der analogen als auch in der virtuellen Welt als menschliches Wesen wahrnehmen, mit dem sie bestimmte Werte teilen können. Letztlich sind es immer Persönlichkeiten, die Präsenz zeigen und eine Identität sichtbar machen. Präsenz muss dabei in dreierlei Hinsicht gezeigt werden:
- Soziale Präsenz als Fühlen bzw. Mitfühlen,
- Kognitive Präsenz als Verstehen und
- Führungspräsenz, welche die soziale und die kognitive Präsenz zusammenbindet und damit den Geführten Orientierung sowohl im Analogen als auch im Virtuellen gibt.
Das Rezept bzw. die Gebrauchsanweisung einer hybriden Führungskraft ließe sich auch kurz als „digital (mit)denken – analog lenken“ bezeichnen.
Das deutsche Führungsmodell mit dem Fokus des Fachwissens (nicht BWL/VWL/Psychologie..) versagt meines Erachtens viel zu häufig bei der Besetzung, da selbst ihre Fachkollegen zugeben, dass mehr als die Hälfte die notwendige Soft-Führung wie Anerkennung, Motivation, Wertschätzung oder Förderung beherrschen bei gleichzeitiger Betrachtung der Kennzahlen und angemessenem Controlling.
Das amerikanische setzt eben mehr am Empirie, Praxiserfahrung, Bauchgefühl oder Empathie und Solidarität fast ohne fachliches Wissen – und wird damit zur Lotterie.
Dabei kann Führung auch erlernt werden, ist ein Fachwissen über Kommunikation, Menschen,Organisation, Beeinflussung im schlimmen Fall Manipulation, Macht, Ressourcen und deren Vergabe.
…insofern sind Matrixmodelle der Organisation und Führung sinnvoll: nämlich die fachliche Führung und Aufgabenteilung und die disziplinarische über die Personalabteilung/Geschäftsleitung, was klug organisiert nicht teurer sein muss als andere Modelle.