Es gibt noch „Ausfahrten“ vor der ultimativen Kündigung

Personalfreisetzungsmaßnahmen sind immer ein tiefer Einschnitt für die betroffenen Mitarbeiter. Die Werftinsolvenzen in Wismar und Bremerhaven führen uns den Ernst solcher Ereignisse zeitnah vor Augen. Existenzsorgen und Ängste vor einem sozialen Abstieg sind häufige Begleiter in solchen Situationen. Allerdings ist die Kündigung grundsätzlich das letzte Mittel, das ergriffen werden sollte. Zuvor sind in jedem Fall einige „Ausfahrten“, also mögliche Alternativen, vor dem Vollzug einer Kündigung zu prüfen.

Bevor es zum Abbau einer personalen Überdeckung überhaupt kommt, muss geprüft werden, ob es nicht noch andere Lösungen z. B. in Form von Übernahmen, Fusionen oder Veräußerungen gibt. Bei den MV-Werften ist dies Aufgabe des Insolvenzverwalters. 

Doch auch Personalfreisetzungen sind nicht in jedem Fall gleichzusetzen mit einer Kündigung; sie besagen lediglich, dass ein weiterer Verbleib des Stelleninhabers auf seiner jetzigen Position auszu­schließen ist. So sind Personalfreisetzungen auch über die Änderung bestehender Arbeits­rechtsverhältnisse realisierbar. Man kann somit zwischen einer Personalfreisetzung mit und ohne Personalabbau unterscheiden. Der Abbau von Überstunden oder die Einführung der Kurzarbeit stellen zum Beispiel Maßnahmen ohne Bestandsreduktion dar.

Lässt sich eine Personalbestandsreduktion nicht vermeiden, so muss aber immer noch nicht zwingend eine Kündigung ausgesprochen werden. Denn der Arbeitgeber hat prinzipiell die Wahl zwischen indirekten und direkten Personalfreisetzungsmaßnahmen.

Die indirekte Freisetzung zielt auf einen Personalabbau ab, ohne dass bisherige Arbeitsverhältnisse davon berührt werden. Zu den Maßnahmen der indirekten Personalfreisetzung, bei denen es sich um eine Personalflexibilisierung durch Umgehung der Arbeitgeberverantwortung handelt, zählen Einstellungsbeschränkungen, Nichtverlängerung befristeter Arbeitsverträge sowie Nichtverlängerung von Personalleasing-Verträgen.

Direkte Maßnahmen der Personalfreisetzung zielen darauf ab, einen relativ kurzfristigen Personalabbau herbeizuführen. Aber auch hier gibt es noch einige „Ausfahrten“ vor der Kündigung als ultima ratio.

Im Vordergrund stehen dabei die „sanften“ Freisetzungsmaßnahmen. Hier geht es um die Beendigung bestehender Arbeitsverhältnisse durch einen Aufhebungsvertrag, z.B.  um ein Outplacement anzutreten oder für eine Vorruhestandsregelung.

Eine besonders bevorzugte Form des „sanften“ Vorruhestands ist die Altersteilzeit, die sowohl für Arbeitnehmer, die das 55. Lebensalter erreicht haben, als auch für Arbeitgeber eine ganze Reihe von – primär steuerlichen – Vorteilen bringt. Das Modell der Alterszeit, das leider in vielen Unternehmen noch nicht angekommen ist, sieht vor, dass die bisherige Arbeitszeit des Arbeitnehmers halbiert wird. Wie dann die Arbeitszeit während der Altersteilzeit verteilt wird, können Arbeitnehmer und Arbeitgeber frei vereinbaren. Die Form, die am häufigsten praktiziert wird, ist das sogenannte Block-Modell. Bei dieser Ausprägung werden zwei gleich große Zeitblöcke gebildet: eine Vollarbeitszeitphase und eine anschließende Freistellungsphase. Während der gesamten Altersteilzeit, die in der Regel zwischen drei und sechs Jahre beträgt, zahlt der Arbeitgeber 50 Prozent des bisherigen Gehalts. Hinzu kommen für maximal sechs Jahre steuerfreie Aufstockungsbeträge des Arbeitgebers in Höhe von 20 Prozent der Regelarbeitsentgelts, so dass der Arbeitnehmer für die gesamte Altersteilzeit mit Netto-Beträgen von über 80 Prozent seines „normalen“ Einkommens rechnen kann – eine in der Tat “sanfte” Personalfreisetzungsmaßnahme!

Erst wenn sich all diese „Ausfahrten“ nicht realisieren lassen, ist die Entlassung nicht mehr zu vermeiden. Entlassungen von Mitarbeitern gehören zu den schlimmsten Pflichten, die eine Führungskraft wahrnehmen muss. Wichtig dabei: Entlassungsgespräche gehören zum Führungsgeschäft dazu.

Doch auch das Personal­management muss bei einer Freistellung verschiedene Maßnahmen ergreifen. Neben der Erstellung eines Arbeits­zeugnisses sollte der ausscheidende Mitarbeiter mit Hilfe eines Austrittsinterviews zu cha­rakteristischen Merkmalen des Unternehmens, zu Stärken und Schwächen in der Personal­führung sowie zu seiner subjektiven Bewertung dieser Aspekte befragt werden. Kündigt der Mitarbeiter selber, so bietet ein Austrittsinterview zudem die Gelegen­heit, Gründe für das geplante Ausscheiden zu erheben. Mit einem Austrittsinterview lassen sich verschiedene Problembereiche in einem Unternehmen identifizieren. Die erhobenen Daten bilden somit eine wesentliche Grundlage für die Formulierung von Personalentwicklungsmaßnahmen.

Hintergrundinformationen hier: D. Lippold: Personalmanagement und High Potentials, Berlin/Boston 2020

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