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Marketing zählt zu den Kernkompetenzen jedes Unternehmens. Dennoch ist sein Stellenwert für den Unternehmenserfolg in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken. Viele marktstrategische Themen gehen heute am institutionalisierten Marketing vorbei. Speziell eingesetzte Stabsabteilungen, Strategieberater, Inhouse Consultants oder Taskforces haben die Federführung bei marktstrategischen Projekten übernommen. Sicher, Marketing ist viel zu wichtig, um es einer einzelnen Person oder einer Abteilung zu überlassen. Trotzdem sollte das Marketing die kundenorientierten Zügel in der Hand behalten und in die Unternehmenshierarchie entsprechend eingeordnet sein. Stattdessen haben Unternehmen damit begonnen, Marketingvorstandsbereiche aufzulösen und an verschiedenen Stellen dezentral anzusiedeln. Daher wundert es kaum, dass vielerorts der Marketingbereich zur reinen Werbeabteilung degradiert ist. Ist damit das Ende des Marketings als marktorientiertes Unternehmensführungskonzept (im Meffert‘schen Sinne) besiegelt?
Mit der digitalen Transformation und ihrer richtigen unternehmensstrategischen Einordnung und Umsetzung als die vielleicht wichtigste gesellschaftliche und wirtschaftliche Chance der Gegenwart könnte dem Marketing eine Renaissance gelingen. Voraussetzung ist, dass das Marketingmanagement die damit verbundenen Herausforderungen aufgreift und aktiv gestaltet.
Die wohl größte Herausforderung besteht darin, aus den unendlich vielen Online-Prozessen, der E-Mail- und Telefon-Kommunikation sowie aus den sozialen Medien jene Informationen zu gewinnen, die für die Entscheidungsfindung und -unterstützung der richtigen Produkt- und Markenstrategie wichtig sind. Das Internet ist aber nicht nur interaktiver, sondern auch mobiler geworden. Eine Vielzahl von technischen Erfindungen, medialen und sozialen Plattformen sowie mobilen Dienstleistungen prägen unser aller Lebensstil und sind vor allem bei jungen Zielgruppen („Digital Natives“) kaum noch wegzudenken. So werden die Präferenzen von Käufern in Echtzeit auswertbar und mit einer speziellen Location, in der sich die Person gerade aufhält, kombiniert. Damit können dynamische Impulse hinsichtlich Einkaufsstätte, Preis oder Produktverfügbarkeit mobil übermittelt werden, um so den entscheidenden Kaufimpuls – genau im passenden Moment und am richtigen Ort – zu geben.
Mit dem Internet als Übertragungskanal und mit der Digitalisierung der Medien können die Kunden ihre Bedürfnisse nach Unterhaltung, Information, Kommunikation, Konsum und Sozialisierung einfach und schnell befriedigen. Noch nie gab es so viele und extrem leicht zugängliche Möglichkeiten, sich zu informieren, sich unterhalten zu lassen und gleichzeitig zu kommunizieren. Mit der technologischen Entwicklung und der Möglichkeit, auf beliebigen Endgeräten neuartige Kommunikationskonzepte (z. B. lokalisierte und personalisierte Markenbotschaften) und sogar Geschäftsmodelle zu begehen, ist die strategischen Markenführung noch vielfältiger und größer geworden. Aber nicht nur der Markt für Informations- und Werbegüter ist für den Einzelnen komplett unübersichtlich geworden, auch für die Botschaft der Marke als digitalisiertes Positionierungselement ist es noch schwerer und komplexer geworden, zum Konsumenten durchzudringen.
Die Verlagerung der Aktivitäten von den analogen zu den digitalen Medien führt einerseits zu ungeahnten Anwendungsmöglichkeiten und andererseits zu grenzenloser Beliebigkeit und kompletter Unübersichtlichkeit. Etablierte Marken und sogar bestehende Geschäftsmodelle können durch die sich abzeichnenden Veränderungen in ihren Grundfesten erschüttert werden.
Somit wird deutlich, dass die digitale Revolution alle Verantwortungsträger in den Unternehmen – insbesondere aber die Marketing-Verantwortlichen – umfassend herausfordern wird. Dabei stellt sich nicht so sehr die Frage, ob die digitalen Medien die klassischen Kanäle kontinuierlich verdrängen oder gar ersetzen werden. Wichtig ist vielmehr, für die Online-Medien den Beleg ihrer Wirkung bzw. ihres Wirkungsanteils zu erbringen, denn wir werden künftig eine noch engere Verzahnung beider Medienwelten erleben. Im Fokus wird also die Messbarkeit der Online-Kampagnen auf die Kommunikationswirkung und damit die unternehmerische Frage nach dem direkten Abverkauf der Produkte und Dienstleistungen stehen. War es früher – vereinfacht ausgedrückt – lediglich der 1000-Leser-Preis (zur Ermittlung der Streukosten unterschiedlicher Medien), so sind es heute im Zeitalter digitalisierter Marken rund 50 mehr oder weniger aussagekräftige KPI’s (Key Performance Indicators) wie Ad-Clicks, Cost-per-Click, Cost-per-Order, Cost-per-Conversion, Teilnahme- oder Einlösequoten, Seitenaufrufe (Page Impressions), Click-Through-Rates oder Transaktionsquoten – um nur einige zu nennen – mit denen sich der Entscheider herumschlagen und in einen übergeordneten, unternehmerischen Zusammenhang stellen muss.
Und wer kennt sich in diesem Dickicht von Zahlen, Daten, Analysen, Motiven, Wahrnehmungen, Einstellungen und Geschäftsmodellen besser aus, als der gelernte Marketer, der das instrumentelle Handwerkszeug der vier P’s (Product, Price, Place, Promotion) ebenso beherrscht wie die einschlägigen Methoden und Auswahlverfahren der Marktforschung?
Diesen für das Gesamtunternehmen so wertvollen Nutzen – also die Transparenz in einen überaus komplexen Transformationsprozess – kann das Marketing nur erbringen, wenn es in seiner Funktion als Business Partner mit der vollen Verantwortung für die analoge und digitale Markenführung im Rahmen einer zentralen Struktur ausgestattet ist. Nur so kann es als Drehscheibe und einziger Ansprechpartner zwischen den Interessen des Unternehmens und denen der Online-Vermarkter und Agenturen, die durch Studien und praktische Beispiele die Belege für weitere Investitionen in das Online-Medium liefern wollen, fungieren.
Der ausgebildete Marketing-Spezialist ist also aufgefordert, die Chancen, welche die digitale Transformation bietet, nicht zuletzt im Interesse des Gesamtunternehmens beim Schopfe zu packen und damit seiner Zunft den Stellenwert zurückzuerobern, den sie einmal hatte.
(Ausführliche Informationen dazu in „Die Marketing-Gleichung. Einführung in das prozess- und wertorientierte Marketingmanagement“, 2. Aufl., De Gruyter Oldenbourg)
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